Hessens Grüne stecken wegen A49-Protesten im Dilemma

«Keine A49» steht auf einem Transparent an einer Barrikade, die von Waldbesetzern auf einem Weg errichtet wurde. Hunderte Aktivisten protestieren hier seit Monaten gegen die Rodung des Dannenröder Forsts und den politisch umstrittenen Weiterbau der Autobahn 49. Foto: dpa
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Wie viel Öko steckt noch in den Grünen? Für Umweltaktivisten und den politischen Gegner wird dies am Beispiel der A49 zur Gretchenfrage.

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WIESBADEN/HOMBERG-OHM. "Wald statt Asphalt" ist eine Parole der Umweltaktivisten, die seit Wochen hartnäckig gegen die Rodung des Waldes für den Ausbau der Autobahn 49 kämpfen. "Wald statt Asphalt" wurde auch in roter Farbe an die Außenwand der Landesgeschäftsstelle der hessischen Grünen in Wiesbaden geschmiert - der Staatsschutz ermittelt. Verliert die einstige Ökopartei ihre protestierende Basis?

Seit mehr als sechs Jahren regieren die Grünen in Hessen zusammen mit der CDU - weitgehend geräuschlos. In dem heftigen Konflikt um den Autobahnausbau in Nord- und Mittelhessen und insbesondere um den Dannenröder Forst zeigt sich für die Partei nun mit aller Deutlichkeit die Kehrseite der Regierungsverantwortung: Sie muss das Verkehrsprojekt aufgrund der geltenden Gesetzeslage mittragen, obwohl sie inhaltlich dagegen ist.

Die Oppositionsführerin im hessischen Landtag, die SPD-Fraktionsvorsitzende Nancy Faeser, warf den Grünen "Scheinheiligkeit" und den Versuch vor, "gleichzeitig Regierungs- und Oppositionspartei" sein zu wollen. Denn während die Bundes-Grünen den Stopp aller Straßenbauprojekte fordere, wahrten die hessischen Grünen den Koalitionsfrieden mit der CDU. Es ist nicht der erste Spagat bei Umwelt- und Verkehrsthemen, den die hessischen Grünen seit ihrer Koalition mit den Christdemokraten eingehen müssen und sich damit von der Protestbewegung entfernen. Der Lärmschutz am Frankfurter Flughafen ist seit Jahren ein Reizthema. Verkehrsminister Tarek Al-Wazir muss sich regelmäßig für seinen Etat für die Infrastruktur im Land rechtfertigen.

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Gerade den führenden Kopf der Grünen in Hessen haben sich die Gegner der A49 als Zielscheibe ihrer Kritik ausgesucht. Sie werfen Al-Wazir vor, zu wenig für den Wald zu tun. Der Minister verweist im Konflikt um den Autobahnausbau dagegen gebetsmühlenartig auf den Bund als zuständigen Bauherrn. Dabei schwingt bei allen sachlich korrekten Argumenten der Grünen-Spitze die Sorge mit, dass sich nicht nur die A49-Umweltaktivisten von der Partei abwenden, sondern auch Bewegungen wie "Fridays for Future" Gegenwind erzeugen.

Zusätzlich könnten aus der hessischen Parteibasis kritische Stimmen laut werden, wenn das Thema am kommenden Samstag (24. Oktober) bei der digitalen Landesmitgliederversammlung auf den Tisch kommt. Geplant ist nach den Worten des Co-Parteivorsitzenden Philip Krämer ein Antrag zur A49, der möglichst breit das Meinungsspektrum in der Partei abbilden soll und auch Mitglieder in Nord- und Mittelhessen abholt.

Krämer räumt ein, dass die A49 ein Thema sei, das die Partei emotional belaste. Auch er betont im gleichen Atemzug, dass der Beschluss für den Weiterbau nur auf Bundesebene verändert werden könne. Die Historie zeige, dass die hessischen Grünen immer dagegen gewesen seien und dass das Projekt maßgeblich von Union, SPD und FDP vorangetrieben worden sei. Auch die rechtlichen Möglichkeiten gegen den Ausbau seien ausgeschöpft.

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Die Co-Parteivorsitzende Sigrid Erfurth betont: "Wir sind dem Koalitionsvertrag verpflichtet." Sie erinnert daran, dass die Landesmitgliederversammlung diesem Vertrag mit über 90 Prozent zugestimmt habe.

Hauptthema bei der Landesmitgliederversammlung sollen die anstehenden Kommunalwahlen im März 2021 werden. Das Thema A49 werde die Grünen selbstverständlich im Wahlkampf begleiten, die Rodungssaison gehe über den Wahltermin hinaus, sagte Krämer. Drohen wegen des Themas Einbußen beim Wahlergebnis? Die Grünen sind nach den Worten von Krämer "optimistisch", dass es keine großen Stimmverluste gibt.

Von dpa