Ein Jahr Ukraine-Krieg: Ist Putin zu stoppen? Wie bringen wir mehr Flüchtlinge unter? Diesen Fragen gehen wir heute ebenso nach wie der, woher die aktuelle Übersterblichkeit kommt.
Hessen. am Aschermittwoch ist alles vorbei, heißt es. Die Karnevalisten mögen sich heute eine Träne aus dem Augenwinkel reiben. Für andere fängt aber auch vieles gerade an. Die Fastenzeit zum Beispiel. Sieben Wochen bis Ostern auf Alkohol, Fleisch oder auf Süßigkeiten verzichten. Früher haben wir in unserer Redaktion aus dem „oder“ ein „und“ gemacht – und uns gegenseitig motiviert. In Zeiten von Homeoffice ist das etwas anders, und schwerer. Man kann aber auch nach Belieben noch auf so vieles mehr verzichten. Wie wäre es, zumindest am Abend mal den Computer und das Handy ausgeschaltet zu lassen? Oder gar den Fernseher? Der Umweltverband BUND schlägt vor, in der Fastenzeit auf Autofahren und Plastikverpackungen zu verzichten. Die Tradition des Fastens kommt übrigens in den meisten großen Weltreligionen vor. Die Fastenzeit im Christentum dauert von Aschermittwoch bis Karsamstag vor Ostern, also in diesem Jahr bis zum 8. April. Heute ist die Fastenzeit für viele aber weniger das Besinnen auf den Glauben, sondern eher eine Zeit allgemeiner Einkehr und Reflexion. Und auch das ist ja nie verkehrt.
TOP 3 DES TAGES
Wie lässt sich Putin stoppen?
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Am Freitag jährt sich der Kriegsbeginn in der Ukraine. Noch mehr Waffen für die Ukraine fordern viele, endlich verhandeln mahnen andere. Jens Kleindienst und Christian Matz haben in einem Interview die verschiedenen Positionen zusammengebracht. Zu dem Streitgespräch wurden die renommierten Politikwissenschaftler Nicole Deitelhoff und Wolfgang Merkel eingeladen. Das Gespräch fand per Videokonferenz statt. Die Wissenschaftler haben beide nicht geglaubt, dass sich die Ukraine so erfolgreich verteidigen kann. Wolfgang Merkel ist aber skeptisch, dass Putin in einem klassischen Sinn besiegt werden kann. Putins Schicksal hänge daran, dass zu Hause nicht der Eindruck entsteht, er habe verloren. „Wir brauchen einen dritten Weg zwischen Kapitulation und Eskalation. Und wir müssen immer bedenken, welche Kosten entstehen, wie viele Menschen in diesem Krieg sterben“, so Merkel. Für ein sorgfältiges Abwägen plädiert auch Nicole Deitelhoff. „Das Risiko minimieren – ja. Aber nicht, indem man die Ukraine nicht mehr unterstützt. Bisher hieß es bei jeder neuen Waffenlieferung aus dem Kreml, das sei faktisch der Kriegseintritt der Nato. Dann ist aber nichts passiert. Es kann jedoch der Moment kommen, an dem das anders ist“, gibt sie zu Bedenken.
Wie lassen sich noch mehr Flüchtlinge unterbringen?
Unter anderem der Krieg in der Ukraine hat dafür gesorgt, dass immer mehr Flüchtlinge in Deutschland Schutz suchen. Doch die Unterbringungsmöglichkeiten könnten schon bald erschöpft sein. Viele Kommunen haben jetzt schon Bürgerhäuser und Sporthallen geräumt. Wie viele Flüchtlinge die Landkreise aufnehmen müssen, das ist aktuell in Deutschland eine politisch brisante Frage. Landrat und Kreis-Sozialdezernent im Lahn-Dill-Kreis waren zuletzt davon ausgegangen, dass das Land Hessen dem Kreis überproportional viele Flüchtlinge zugewiesen habe. Doch es hat alles seine Richtigkeit, hat mein Kollege Jörgen Linker herausgearbeitet. Er hat dazu die hessischen Flüchtlingszahlen ausgewertet. Die Prognose sieht für den Lahn-Dill-Kreis im ersten Quartal des Jahres eine Zuweisung von insgesamt rund 750 Menschen vor, 57 pro Woche. Diese Zahl ist laut Sozialministerium allerdings nur deshalb so hoch, weil der Kreis im vierten Quartal 2022 weniger Menschen aufgenommen und „mit einem Minus von 348 Personen abgeschlossen hatte“. Im vergangenen Jahr hatte das Land Hessen den Landkreisen insgesamt 99.396 Flüchtlinge zugewiesen.
Wie kommt es zur Übersterblichkeit?
Im vergangenen Jahr sind in Deutschland mehr als 1,06 Millionen Menschen gestorben. Damit ist die Zahl der Sterbefälle nach einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 Prozent oder mehr als 35.000 Fälle gestiegen. Was es damit auf sich hat, beschreibt Ute Strunk hier. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2022 ließen sich die Sterbezahlen nicht mehr allein auf Corona zurückführen. So starben im Dezember nach Angaben von Destatis mehr als 110.000 Menschen, davon aber nur 3674 an Corona, wie die vom Robert-Koch-Institut erfassten Daten zeigen. Auch gehe die Zahl der Gestorbenen über das von Grippewellen bekannte Ausmaß hinaus. Zudem könne nur etwa ein Fünftel des gesamten Anstiegs im Jahr 2022 mit der wachsenden Zahl älterer Menschen erklärt werden. Vermutet wird indes, dass es indirekte Opfer der Corona-Pandemie gibt: Menschen, bei denen lebenswichtige Operationen aufgrund von Corona-Maßnahmen verschoben wurden, oder solche, die nicht rechtzeitig zu Früherkennungsuntersuchungen gegangen sind, sodass Krebserkrankungen zu spät diagnostiziert wurden. Aufgrund der offenen Fragen zur hohen Übersterblichkeit, mutmaßen Impfkritiker, dass auch Impfschäden durch die Covid-Impfungen eine Ursache für die hohen Sterbefallzahlen sein könnten. Doch auch hierfür gibt es keine Belege.
ZU GUTER LETZT
Ein Jazz-Café mitten in der Provinz
Da reibt man sich verwundert die Augen. Ein Jazz-Café in der Provinz? Kann das gutgehen? Wie mein Kollege Frank Rademacher in seinem Artikel erzählt, gelingt das Projekt „Bebop Strassebersbach“ in Dietzhölztal mit viel Herzblut und Idealismus. Der Mut, etwas Ausgefallenes zu machen, wird augenscheinlich belohnt. „Wir wollten bewusst keine Kneipe aufmachen, sondern uns abheben von dem, was schon da ist“, erklärt Simon Birr zum Konzept des Jazz-Cafés. Das soll ein Ort sein, „wo man gemütlich sitzen und sich unterhalten kann“, sagt Stefan Thielmann. Deshalb gibt es auch Bücher und Spiele – und natürlich regelmäßig Live-Konzerte. Es gebe ganz wenige Tage, „wo Flaute ist“. Dafür habe sich inzwischen schon ein fester Stamm an Gästen gebildet, die ein- oder zweimal pro Woche ins „Bebop“ kommen. Dass der Start so gut gelungen ist, liegt sicher auch daran, dass Simon Birr als Pastor einen großen Bekanntenkreis hat. Den Rollenwechsel vom Kirchenmann zum Wirt, der dieser Tage auch den Hessischen Rundfunk auf den Plan rief, macht Birr allerdings nur halb. Er werde sich jetzt als Pastor selbstständig machen, sagt er. Und auch für Stefan Thielmann war klar, „dass wir nicht davon leben müssen“. Er arbeitet weiter in einem Lohn- und Personalbüro, jetzt allerdings nur noch halbtags.
Apropos „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“. Für mich ist das Ende der Fastnacht auch immer das Zeichen, dass nun bald der Frühling beginnt. Leider soll es zum Wochenende noch mal richtig kalt werden. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich dann auch die Sonne wieder blicken lässt. Der Sonnenschein ist nicht nur gut fürs Gemüt, sondern hilft ja auch beim Eindämmen der Heizkosten.
Machen Sie das Beste aus dieser Woche und der Fastenzeit
Exklusiv aus der Redaktion „Hessen am Mittag”
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