Streit um Verteilung von Flüchtlingen und Kostenaufteilung

Heiko Wingenfeld

Vor dem Bund-Länder-Gipfel zur Flüchtlingspolitik äußern hessische Kommunen ihren Unmut über den bisherigen Kurs. Auch das Land sieht Handlungsbedarf.

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Gelnhausen/Wiesbaden (dpa/lhe) - . Kurz vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt ist der Streit um die Kosten für die Unterbringung und Integration der nach Deutschland gekommenen Menschen schärfer geworden. Hessens größter Landkreis wehrt sich mit einer Klage gegen die seiner Ansicht nach ungerechte Verteilung von Geflüchteten. Die am Montag eingereichte Normenkontrollklage richtet sich gegen das Land Hessen, wie der Landrat des Main-Kinzig-Kreises, Thorsten Stolz (SPD), mitteilte. Die hessische Landesregierung wiederum fordert vom Bund mehr Engagement bei der Finanzierung der Ausgaben für Geflüchtete.

„Es geht uns um eine faire und gerechte Verteilung von Flüchtlingen innerhalb des Landes Hessen“, sagte Landrat Stolz bei der Vorstellung der Normenkontrollklage. Dieser Schritt sei das „letzte Mittel, das ist ein Stück weit auch ein Hilferuf“, fügte er hinzu.

Im Vergleich zum Nachbarn Frankfurt sieht sich der Landkreis unverhältnismäßig stark strapaziert. Der Kreis mit seinen rund 420.000 Einwohnern werde bei der Verteilung in der gleichen Größenklasse erfasst wie Frankfurt mit seinen knapp 770.000 Bewohnern, kritisierte der Landrat. „In der grundlegenden Systematik ist ein Fehler drin.“ Es gehe nicht darum, sich humanitärer und rechtlicher Verpflichtungen zu entziehen. Doch der Kreis wolle nicht wie ein „Bittsteller“ behandelt werden und eine „Kommunikation auf Augenhöhe“ mit dem Land. Ziel des Schritts ist nach Angaben der Kreisverwaltung eine „langfristige und nachhaltige Integration - und die kostet Geld“.

Seit Anfang 2021 nahm der Main-Kinzig-Kreis nach eigenen Angaben 10.500 Geflüchtete auf (Stand Ende März). Auch andere Städte, Gemeinden und Landkreise in Hessen haben von Problemen bei der Unterbringung von Geflüchteten berichtet. Ein Gespräch der Spitze des Main-Kinzig-Kreis mit Vertretern der Landesregierung in der vergangenen Woche in Wiesbaden verlief nach Angaben der Kreisverwaltung ergebnislos.

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Das Wiesbadener Integrationsministerium hat die Kritik zurückgewiesen. Für die abweichenden Aufnahmequoten etwa der Städte Frankfurt oder Offenbach und des Main-Kinzig-Kreises sei die Berücksichtigung des Ausländeranteils an der Wohnbevölkerung ausschlaggebend, teilte das Ministerium mit. Vor allem seit dem Zuzug ukrainischer Geflüchteter insbesondere in die größeren Städte gebe es in Frankfurt und Offenbach eine „Überquote“, da sie in der Vergangenheit bereits mehr Menschen aufgenommen hätten, als sie es nach ihrer errechneten Quote hätten tun müssen, hieß es.

Normenkontrollverfahren werden vor dem dafür zuständigen Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel geführt. Dieser überprüft nach eigenen Angaben dabei die „Gültigkeit von landesrechtlichen Rechtsverordnungen“.

Der Hessische Städtetag forderte mit Blick auf den Flüchtlingsgipfel an diesem Mittwoch vom Bund, dass dieser seinen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang in vollem Umfang nachkommt. „Dazu gehören neben den erheblichen Kosten und Verfahrensoptimierungen der Aufnahme und Unterbringung vor allem die Integrationskosten, zum Beispiel bezüglich der wichtigen Sprachkurse“, erklärte der Präsident des Hessischen Städtetages, Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU). Bund und Länder kämen hier seit Jahren ihren Verpflichtungen nicht nach und bürdeten diese Kosten fast vollständig den Kommunen auf.

Der hessische Integrationsminister Kai Klose (Grüne) verlangte vom Bund eine „dynamische Finanzbeteiligung“ an den Kosten der Länder. Insbesondere bei der Finanzierung der Migrationsberatung, der Sprachvermittlung und von Integrations- und Erstorientierungskursen müsse es mehr Engagement des Bundes geben, erklärte Klose, der auch Vorsitzender der Integrationsministerkonferenz ist.

„Kurzfristig eine Unterkunft für die Schutzsuchenden zu finden, ist eine große Herausforderung“, erklärte Klose weiter. Es gehe aber um mehr: um zusätzlichen Wohnraum, Arbeitsmarktintegration, Personal für Kitas und Schulen, Sprachförderung und soziale Integration.