Die Aar wirkt in Diez in Teilen wie ein Kanal. Der Bewuchs an den Ufermauern sorgt für Ärger. Wie lässt sich das Problem lösen?
DIEZ. Mehrfach war der Zustand der Aar in ihrem kanalisierten Abschnitt Thema von Diskussionen in den Gremien der Stadt. Wie sieht es mit den Regelungen an und um den Fluss aus, wer ist wofür zuständig? Ist der - inzwischen recht stattliche - Bewuchs am Ufer und den Mauern schädlich, wird er als störend empfunden oder ist er nützlich? Unsere Zeitung hörte sich bei Behörden und Naturschützern um.
"Bei der Aar handelt es sich um ein Gewässer II. Ordnung, für das der Kreis unterhaltungspflichtig ist. Gemäß Paragraf 35, Absatz 3 Landeswassergesetz werden aufgrund der wasserwirtschaftlichen Bedeutung der Aar die erforderlichen Maßnahmen vom Land durchgeführt", erklärt dazu Sandra Hansen-Spurzem, Pressesprecherin der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord.
Der Rhein-Lahn-Kreis sei demnach als Unterhaltungspflichtiger verpflichtet, dem Land ein Drittel der Kosten zu erstatten. In Diez gilt die Unterhaltungspflicht des Kreises innerhalb des mit Ufermauern kanalisierten Abflussprofils bis zu einer Höhe von drei Metern ab Gewässersohle. "Oberhalb dieser Höhe liegt die Unterhaltungspflicht und Kostenträgerschaft bei der Stadt Diez", erklärt die SGD Nord.
Die Unterhaltungsarbeiten, die zur Sicherstellung des Hochwasserabflusses erforderlich sind, werden laut Sandra Hansen-Spurzem von der SGD Nord in einem mehrjährigen Turnus durchgeführt. Diese Arbeiten umfassen hauptsächlich den Gehölzrückschnitt und gegebenenfalls die Entfernung von Ablagerungen. Im Innenstadtbereich von Diez ist die Aar durch hohe Ufermauern und eine befestigte Gewässersohle kanalisiert.
SGD Nord: Schutz der Menschen hat Priorität
Der Gewässerquerschnitt sei nach Auskunft der SGD Nord auf den Hochwasserabfluss ausgelegt, wobei die drei Brücken einen wesentlich geringeren Querschnitt aufweisen. In Bereichen mit geringer Fließgeschwindigkeit komme es immer wieder zu Ablagerungen, die sich nach einer Zeit begrünen, in der auch Bewuchs in den Fugen der Ufermauern entsteht, vor allem durch den Japanischen Knöterich. Der Rückschnitt der Gehölze erfolgt laut der SGD Nord im Zeitfenster von Oktober bis Ende Februar, während die weiteren Arbeiten wie Sohlräumung oder Ausbesserung der Ufermauer in den Sommermonaten aufgrund geringerer Abflüsse bevorzugt werden. "Grundsätzlich hat der Schutz der Menschen oberste Priorität bei Räummaßnahmen im Gewässerbett", betont Sandra Hansen-Spurzem. Es sei jedoch unerlässlich, die Hochwassergefahr sorgfältig abzuwägen, da das Entfernen im Gewässer gleichzeitig zur Zerstörung von natürlichen Lebensräumen führen kann.
Zur Zuständigkeit an der Aar erklärt Timm Jörnhs, Pressesprecher der Kreisverwaltung Rhein-Lahn: "Die notwendigen Maßnahmen zur Unterhaltung der Aar werden nicht vom Kreis als grundsätzlich Gewässerunterhaltungspflichtigem, sondern im Rahmen einer speziellen Regelung vom Land Rheinland-Pfalz (durch die SGD Nord) unter Kostenbeteiligung des Rhein-Lahn-Kreises durchgeführt." Auch er verweist auf Paragraf 35, Absatz 3, des Landeswassergesetzes. Die Unterhaltungslast betrifft den Teil von der Wassersohle bis in eine Höhe von drei Metern nach einem Festsetzungsbescheid der ehemaligen Bezirksregierung Koblenz aus dem Jahr 1973. Darüber hinaus bestehe eine Verkehrssicherungspflicht in der Regel des Grundstückseigentümers.
BUND: Wegbrechen der Mauern wäre Katastrophe
"Ich bin kein Bauingenieur und kann daher die Situation an den Aarufermauern nicht beurteilen", räumt Michael Albrecht, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland Rhein-Lahn (BUND), ein. "Es wäre eine Katastrophe, wenn die Mauern im Bereich der Parkplätze der Voba wegbrechen würden, das muss verhindert werden", erklärt er. Michael Albrecht findet, dass die Bäume an der Aar möglichst stehen bleiben sollen. Kein Verständnis gibt es von ihm für Leute, die Hundekottüten und ähnlichen Abfall in die Aar werfen.
Winfried Lieber, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Rhein-Lahn, erklärt nach einer Besichtigung des Abschnitts vom Rewe-Markt bis zur Mündung: "Es ist aus städtebaulicher Sicht wünschenswert, die Treppe zur Aar neben der Volksbank freizuschneiden und durch entsprechende bauliche Maßnahmen wieder nutzbar zu machen, der Staudenknöterich überwuchert dort alles. Diese invasive Pflanzenart verdrängt sicherlich andere Ufergehölze", hebt er hervor. Sie über eine Strecke von mehreren Hundert Metern zu entfernen, sei nach seiner Auffassung nicht sinnvoll.
"Für den Hochwasserschutz würde eine Entbuschung des Uferbereiches nichts bringen, da sich die Aar nur zurückstaut, wenn die Lahn Hochwasser führt. Die vorhandenen Pflanzen beschatten gerade im Sommer das Flussbett und haben sowohl für das Flusswasser, wie für das Kleinklima im direkten Umfeld eine kühlende Wirkung", unterstreicht Winfried Lieber. Die Büsche bilden Sitzwarten für verschiedene Vogelarten, für die die Aar auch Nahrungsbiotop sei. Er konnte dort eine nach Wasserinsekten tauchende Wasseramsel beobachten, ein Graureiher war bei seiner Jagd nach einem Fisch erfolgreich. Dort brütet regelmäßig die Gebirgsstelze und auch für den Eisvogel ist dieser Aarabschnitt ein wichtiges Gewässer.
Fazit von Winfried Lieber: Ein steriler Kanal mit "sauberen" Ufermauern wäre nicht nur ein Verlust an biologischer Vielfalt, sondern auch eine enorme finanzielle Belastung für den Etat der zuständigen Behörden.
Ernfried Groh, Vorsitzender des Vereins Blühende Lebensräume, hat mit seinen Mitstreitern Axel Fickeis und Roman Roßbruch ein Konzept zur "Revitalisierung der Aartreppe" (in der Nähe der Volksbank) entwickelt. Dieses sei über das Planungsbüro Sven Fries in das Konzept für eine künftige Städtebauförderung gelangt.
Ernfried Groh erinnert daran, dass mit einem Feststellungsbescheid vom 6. Dezember 1973 die Bezirksregierung Koblenz festgestellt hat: "... dass (unbeschadet der durch das Verwaltungsgericht Koblenz bestätigten Unterhaltungspflicht die Erhaltung des Zustands der Ufermauern der Aar ... in der Ortslage Diez oberhalb einer parallel zur Sohle verlaufenden Linie von drei Metern nicht erforderlich ist."
Damit wurde die Kreisverwaltung als damalige Trägerin der Unterhaltungslast von der Unterhaltspflicht für die oberhalb der Dreimetergrenze verlaufenden Aarufermauern befreit, dafür wurde die Stadt Diez zuständig.
Ufermauern wurden später zu- oder aufgebaut
Als Begründung sei seinerzeit ausgeführt worden, dass die ursprüngliche Ufermauer durch spätere Zu- oder Aufbauten der Grundstückseigentümer erhöht und weiter ausgebaut wurde, weshalb der Umfang der Unterhaltungslast für den Rhein-Lahn-Kreis konkretisiert werden musste. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Klärung im Einzelfall, wer im Stadtgebiet Diez an einer betreffenden Stelle für die Unterhaltung der Aarufermauer und der Aarufer zuständig und Kostenträger ist.
Die Stadt Diez ist für die Unterhaltung der Aarufermauern oberhalb der Dreimetergrenze zuständig und Kostenträgerin. Die Zuständigkeiten in den Teilabschnitten der Ufermauern bedürfen immer der Einzelfallprüfung. Sollten seitens der Stadt Gestaltungs- und/oder Veränderungswünsche bestehen, so sind diese genehmigungspflichtig und die Stadt müsste die Kosten und die damit verbundenen Risiken tragen.
Von Andreas Galonska