Es gehört wohl zur Geschichte der beiden Partnerstädte, dass gut Ding Weile braucht. Nachdem 2019 die Stadtverordnetenversammlung in Hochheim wie auch das Consilium in...
HOCHHEIM/MIKULOV. Es gehört wohl zur Geschichte der beiden Partnerstädte, dass gut Ding Weile braucht. Nachdem 2019 die Stadtverordnetenversammlung in Hochheim wie auch das Consilium in Mikulov jeweils einstimmig die Aufnahme einer offiziellen Städtepartnerschaft beschlossen hatten, funkte die Pandemie mit dem Corona-Virus heftig dazwischen. Vorabsprachen für die offiziellen Festakte mit Besuchen und Gegenbesuchen in Hochheim und Mikulov mussten sprichwörtlich in die Tonne getreten werden. Die feierlichen Unterzeichnungen unter die Partnerschaftsverträge samt Delegationsbesuchen fanden dann 2022 in freundschaftlicher und ebenso festlicher Atmosphäre im Mai in Mikulov und im September in Hochheim statt.
Wenig später wählten die Bürgerinnen und Bürger von Mikulov ein neues Stadtparlament. Die Mehrheitsverhältnisse änderten sich danach maßgeblich. Seit Oktober 2022 lenkt eine Koalition aus ANO-Partei, Mikulovštvi (eine lokale Bürgervereinigung) und der Piratenpartei mit komfortabler Mehrheit die Geschicke der Stadt. Die ODS, die seit Jahrzehnten in Mikulov am politischen Ruder gesessen hatte, nimmt nun auf der Oppositionsbank Platz. Infolge des Machtwechsels im Rathaus kam es zu Restrukturierungen und Neubesetzungen. Das betrifft den Rat der Stadt, der aufgrund seines operativen Wirkens im Tagesgeschäft für die Stadt in etwa vergleichbar ist mit dem Magistrat. Wobei der Rat kein eigenes Organ ist, sondern sich personell aus den Mitgliedern des Consiliums zusammensetzt, vergleichbar dem politischen Kommunalsystem von Le Pontet.
Deutlich wird die kommunalpolitische Neuausrichtung insbesondere in der Besetzung der hauptamtlichen Wahlbeamten. Jitka Sobotková (ANO) fungiert als erste Frau überhaupt als Bürgermeisterin (starostka) an der Spitze des Rathauses wie des Stadtparlaments. Ihr zur Seite stehen Ivo Hrdlička (Piratenpartei) als erster Vize-Bürgermeister (mistostarosta) und Petra Korlaar (Mikulovštvi) als zweite Vize-Bürgermeisterin (mistostarostka). Alle drei betraten mit der Übernahme ihrer Positionen berufliches Neuland. Dies macht eine längere Eingewöhnungs- und Orientierungsphase notwendig, die in einigen Bereichen immer noch bestehen mag. Das liegt in der Natur der Sache.
Da mag eine Städtepartnerschaft, zumal sie noch relativ jung und am Anfang steht, nicht ganz oben auf der Agenda stehen. Aber auch dies könnte für Mikulov und Hochheim zugleich typisch sein: Guter Wein muss reifen, das werden Winzer (vinaři) aus Mikulov wie aus Hochheim unterstreichen können. Auch für den sozialen Austausch mag dies gelten.
Persönlicher Kontakt ist durch nichts zu ersetzen
Umso wichtiger war es, dass Dirk Westedt darauf Wert legte, endlich einmal die „Neuen“ im Mikulover Rathaus persönlich kennenzulernen. Nicht über die Mattscheibe eines eher unpersönlichen Videomeetings, sondern über den direkten sozialen Kontakt, um damit ein Gespür zu entwickeln, wie eine inhaltliche Gestaltung der städtepartnerschaftlichen Beziehungen aussehen könnte. Dies scheint nun gelungen.
Austausch von Schulen und Vereinen
Dass für Hochheim der Kontakt zu Vereinen und zu Schulen von wesentlicher Bedeutung ist, machte Westedt deutlich. Die Tatsache, dass die Bürgermeisterin wie die Vize-Bürgermeisterin aus dem Schulbereich kommen, könnte ein überaus wichtiger und strategischer Anknüpfungspunkt sein, um einen regelmäßigen sozialen und kulturellen Austausch im schulischen Sektor mit Klassenfahrten und Aufenthalten in Mikulov wie Hochheim in die Wege zu leiten. Es kommt auf die Jugend an. Westeuropa, Italien oder Spanien, da fliegt man hin, meist supergünstig. Die wenigsten kennen das mitteleuropäische Land Tschechien. Viele verorten die geografische Lage eher in Osteuropa, was im Gespräch mit Tschechen meist mit einem mitleidvollen Stirnrunzeln quittiert wird. Ein wechselseitiges Kennenlernen der kulturellen Identitäten durch Klassenfahrten wäre für junge Menschen aus Hochheim wie Mikulov mit Sicherheit gewinnbringend. Auch im Hinblick auf den Europäischen Gedanken.
Vereinbart wurde in dem Gespräch zudem, Listen mit Vereinen und Adressen für Ansprechpartner auszutauschen, um grundsätzlich die Möglichkeit zu schaffen, dass Vereine untereinander Kontakte knüpfen können. Durchaus könnte es in Zukunft auch möglich sein, im Bildungsbereich oder auf konfessionellem Sektor aktiv zu werden. So existiert sowohl eine katholische wie auch eine evangelische Gemeinde in Mikulov.
Bürgermeister Dirk Westedt lud seine Gesprächspartner aus Mikulov zum Hochheimer Weinfest ein. Ob allerdings für die offiziellen Gäste in der Wein-, Sekt- und Tourismusstadt Hochheim noch eine Unterkunft gefunden werden kann, konnte er nicht beantworten.