Jürgen Wolter vom Kultur-in-der-Kirche-Team begrüßte am vergangenen Samstag die Freunde klassischer Musik in der Evangelischen Kirche Hochheim zum ersten Konzert dieses...
HOCHHEIM. Jürgen Wolter vom Kultur-in-der-Kirche-Team begrüßte am vergangenen Samstag die Freunde klassischer Musik in der Evangelischen Kirche Hochheim zum ersten Konzert dieses Jahres. Er stellte die Flötistin Anne Baumbach und ihre Zwillingsschwester, die Gitarristin Thea Baumbach vor. Beide absolvierten ihre Master-Abschlüsse mit Auszeichnung und sind Preisträger internationaler Wettbewerbe.
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Das Konzert begann furios mit dem spanischen Tanz: „El Vito“ von Joaquin Nin. Voll unbändiger Spielfreude bewiesen die Geschwister sofort die meisterhafte Beherrschung ihrer Instrumente. Die Querflöte tanzte wild. Die Gitarre begleitete sie leidenschaftlich. Zwölf weitere Stücke sollten noch folgen.
Die beiden Musikerinnen moderierten abwechselnd. Meist spielten sie Bearbeitungen der ursprünglich für andere Instrumente vorgesehenen Werke. Es gibt nicht viele Kompositionen für Flöte und Gitarre. In Hochheim standen vor allem jüdische, spanische, ukrainische und deutsche Volksweisen auf dem Programm.
Ein altes Volkslied aus Siebenbürgen folgte: „Es saß ein klein wild Vögelein auf einem grünen Ästchen“. Das Lied aus dem 19. Jahrhundert gewann im Rahmen der deutschen Folkbewegung in den 1970er Jahren eine gewisse Popularität. Mit Ludger Vollmers „Steadfast against the Sun“ aus dem Jahr 2002 wurde es zeitgenössischer. Wie eine wilde Lerche stieg die etwas kantige Melodie in scheinbar unendliche Höhen, begleitet vom schnellen Rhythmus der Gitarre. Das wohl jüngste Werk von 2021 war „Verbunden bleibt …“ des 1974 geborenen Komponisten Peter H. Lang.
„Il Pastor Fido“ (der treue Hirte) führte ins 18. Jahrhundert und berührte mit warmen Klangfarben des Barock. Der Komponist Nicolas Chédeville schob sein wunderschönes Musikstück in vier Sätzen damals Vivaldi unter, weil dieser sehr viel populärer war.
Legenden von Atanas Ourkouzounov folgten. Der in Sofia aufgewachsene Gitarrenvirtuose ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten der Gitarrenmusik. Er verwebt genial Balkan-Folklore, Avantgarde, atemlose Rhythmen und archaische Naturgeräusche. Anne Baumbach ließ die Querflöte fauchen und tonlos zischen. Theas Gitarre spukte zwischen Geistern und Kobolden umher.
Viele Fragen an die beiden jungen Frauen in der Pause
In der Pause wurden die Geschwister von den Gästen umringt und mussten etliche Fragen beantworten. Ja, die am 12. April 1990 in Magdeburg geborenen Musikerinnen sind eineiige Zwillinge. Sie haben gemeinsam studiert, zusammen gewohnt, doch dann „hat es sich anders ergeben.“ Anne lebt derzeit in Weimar, Thea in Kopenhagen.
Thea Baumbach erklärte ihre drei Flöten: Die Piccoloflöte für die ganz hohen Töne, die normale Querflöte und die tiefer und wärmer klingende Altquerflöte, zum Teil aus dunklem Ebenholz gefertigt. Moderne Komponisten erweitern dabei die Spieltechnik. Bestimmte Luftströme erzeugen Wind oder Sturm, vibrierende Mundbewegungen girrende Töne. Durch Klappern mit den Luftklappen entstehen schlagende Geräusche.
Theas Gitarre sieht für den Laien recht unspektakulär aus. In Wirklichkeit ist sie ein Unikat, ein für sie von Andreas Kirschner, einem der besten deutschen Gitarrenbauern, handgefertigtes Instrument für eine Linkshänderin. Der Aufbau der Double-Top-Gitarre ist maßgeschneidert. Durch die doppelte Decke vergrößert sich entsprechend die schwingende Resonanzfläche und so wird der Klang voller und lauter. Die Musikerinnen lobten die Akustik in der Kirche: „Man hat ein gutes Gefühl als Musiker hier auf der Bühne.“
Nach der Pause ging es mit einem Ohrwurm weiter. Sholom Secunda komponierte schon im Jahr 1940 das melancholische Lied „Donna Donna“ mit dem jiddischen Text „Dos Kelbl“ (das Kälbchen). Seinen Siegeszug um die Welt trat es jedoch erst an, als es Joan Baez 1960 mit englischem Text sang.
Die Sonate für Flöte und Gitarre e-Moll von Carl Philipp Emanuel Bach folgte, danach „Drem Feygl“, ein trauriges Wiegenlied des jüdischen Komponisten Leyb Yampolskys: „Schlaf, mein liebes Kind. Deine Mutter kommt nicht mehr zurück.“
Mordechai Gebirtig erzählt in „Hungerik“ von einem hungrigen Mädchen, das die Augen zumachen und schlafen soll: „Hungrig ist auch deine Mutter. Aber sie weint nicht und schreit nicht wie du.“ Das anschließende ukrainische Volkslied „Nese Halya vodu“ besingt eine schöne Wasserträgerin.
Das Hauptwerk des Abends war „Mitología de las Aguas“ des kubanischen Komponisten Leo Brouwers. Aus der gewaltigen Urgewalt des Wassers in Form des Amazonas, eines verborgenen Sees der Mayas, den Wasserfällen der Engel und dem Kobold der Flüsse Kubas machten die beiden Klangzauberinnen ein Märchen. Das Publikum dankte ihnen mit stehenden Ovationen. Die Zugabe „Friling“ von Abraham Brudno, ein lyrisches, warmherziges Liebeslied im Tangorhythmus, war eigentlich ein fröhlicher Abschluss für einen beschwingten Heimweg. Doch es entstand im April 1943 im polnischen Ghetto Wilna.
Die nächsten KiK-Konzerte finden am 23. April und am 21. Mai in der Evangelischen Kirche statt. Der Pianist Thomas Scheike gibt zwei Mozart-Konzerte: „Wolfgang lernt komponieren“ und „Ein Wunderkind auf großer Europa-Reise“. Die weiteren Veranstaltungen sind auf www.ev-kirche-hochheim.de zu finden.