Demenz wird oft spät bemerkt. Wer sich nicht rechtzeitig kümmert, zahlt im schlimmsten Falle drauf. Banken und Anwälte raten zur Vorsorge.
DARMSTADT/SÜDHESSEN. Als Heinz K. vor einem Jahr den linken Schuh an den rechten Fuß zog und sich wunderte, warum er so drückte, lachte man in der Familie darüber. Aber als er auf mehreren Überweisungsträgern seine Telefonnummer statt der IBAN eintrug, regte sich bei den Angehörigen des 82-Jährigen der Verdacht: Demenz. Körperlich war Heinz K. topfit. Das ist typisch für das Krankheitsbild und ein Grund, warum Demenz oft erst spät bemerkt wird. Die Menschen haben Routinen so verinnerlicht, dass sie diese noch eine Weile abspulen können.
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Erst wenn sich die Aussetzer häufen, kommt das Thema Demenz ins Spiel. Gerade bei Finanzgeschäften ist das Risiko groß. „Wir als Sparkasse raten grundsätzlich, für den Fall Vorsorge zu treffen und Angehörigen oder anderen Vertrauenspersonen eine Vollmacht zu erteilen“, sagt Peter Lehr, Sprecher und Leiter Privatkunden bei der Sparkasse Darmstadt. Die Berater in den Filialen sprächen die Kunden schon früh darauf an.
So handhabt es auch die Volksbank Darmstadt-Südhessen. Das Thema Demenz und Geldgeschäfte sei jedoch ein schwieriges, mit dem sich viele Ältere und ihre Angehörige ungern auseinandersetzten, sagt Vorstandssprecher Michael Mahr. Um ihre Kunden zu sensibilisieren hat die Volksbank zeitweise Infoveranstaltungen organisiert. Idealerweise sollten sich die Menschen schon mit dem Thema beschäftigen, solange es ihnen gut geht – auch Jüngere, rät Mahr.
„Wer alle Lebensbereiche abdecken will, der setzt am besten eine sogenannte Vorsorgevollmacht sowie eine Patientenverfügung auf“, sagt Rechtsanwalt Alexander Pfeiffer von der Kanzlei Pfeiffer Link & Partner in Darmstadt. Die Vorsorgevollmacht decke Vermögensangelegenheiten und persönliche Angelegenheiten ab. Letztere beinhalteten (unabhängig von einer Patientenverfügung) auch Entscheidungen im Krankheitsfall. Formulare bekomme man bei der örtlichen Betreuungsbehörde oder einfach übers Internet. Pfeiffer empfiehlt, die Vollmacht beglaubigen zu lassen.
Noch besser sei eine protokollierte Vollmacht beim Notar. „Sie erfüllt denselben Zweck, hat aber den Vorteil, dass der Notar jederzeit ein Exemplar reproduzieren kann.“ Wenn man ein Formular selbst ausfülle und bei sich aufbewahre, bleibe ein Risiko: „Geht das Formular verloren und die Person ist nicht mehr geschäftsfähig, bleibt nur der Gang zum Betreuungsgericht.“ Eine Vorsorgevollmacht müsse auch die Bank akzeptieren – selbst wenn manche Institute dafür eigene Formulare bereithalten.
Grundsätzlich darf jemand seine Finanzgeschäfte solange selbst regeln, wie er voll geschäftsfähig ist. Da die Erkrankung schleichend beginnt, kann dies selbst nach einer Diagnose noch der Fall sein – eine Grenze ist schwer zu ziehen. Geschäftsunfähig ist laut BGB (§104) derjenige, der „nicht nur vorübergehend von einer krankhaften Störung der Geistesfähigkeit betroffen ist, die eine freie Willensbildung ausschließt“. Die Geschäftsunfähigkeit muss ein Facharzt feststellen, etwa ein Psychiater oder Neurologe. Laut BGB (§105) sind danach alle Willenserklärungen nichtig, ausgenommen Bagatellgeschäfte wie der Einkauf beim Bäcker.
Existiert eine Vollmacht, so gebe es aus rechtlicher Sicht keinen weiteren Handlungsbedarf. Wenn nicht, greift die zuständige Betreuungsbehörde ein und bereitet die Einsetzung eines gesetzlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht vor. Das Gericht kann die Art der Geschäfte auch definieren oder bei Geldbeträgen eine Höchstgrenze festlegen.
Diese Praxis wird dem Zustand der Menschen nicht immer gerecht, denn trotz Aussetzern kann es lichte Momente oder auch Phasen geben, weshalb Experten Fingerspitzengefühl anraten. Das ist auch in den Bankfilialen notwendig. „In der Regel kennen wir die Kunden seit vielen Jahren“, sagt Lehr von der Sparkasse Darmstadt. Wenn die Mitarbeiter Dinge feststellten, die vom Gewohnten abwichen, suchten sie das Gespräch mit den Angehörigen. Schwierig sei es, wenn die Person keine Verwandten habe. Grundsätzlich könne sich jeder an die Betreuungsbehörde wenden und einen Hinweis geben, wenn beispielsweise ein alleinstehender Nachbar problematisches Verhalten zeigt, das auf Demenz schließen lässt, sagt Rechtsanwalt Pfeiffer.
Die Sparkasse habe von dem Recht in zehn Jahren aber nur einmal Gebrauch machen müssen, so Lehr. Öfter habe man dagegen mit der Polizei zu tun, denn Demenzkranke sind für Betrüger willkommene Opfer. Man stehe in Kontakt mit dem Polizeipräsidium Südhessen und gebe den Beamten unter Beachtung des Bankgeheimnisses Hinweise, etwa wenn größere Bargeldbeträge abgehoben würden, die im Zusammenhang mit dem „Enkeltrick“ stehen könnten.
Von Anja Ingelmann