Invalide, kleine Rente, keine Versicherung: Dieter Hubberich gehört zu denen, die nach der Flut Hilfe am nötigsten haben. Er weiß schon, was er von der Ersthilfe anschaffen wird.
HÖNNINGEN/AHRBRÜCK. „Die LPs habe ich gestern weggeschmissen, da war nichts mehr zu retten“, sagt Dieter Hubberich: „Alle aus den 70ern“. Dafür habe er heute den ganzen Tag lang seine CDs von den verschlammten Hüllen befreit und gespült. Eine ganze Plastikwanne voller Silberlingen steht zu seinen Füßen: „Hoffentlich tun die‘s noch“.
Fast alle Möbel verloren
Mit seinem Haus am Ortsrand von Hönningen-Liers ist der 61-jährige erstmal fertig. Am Tag 20 nach diesem Tsunami, der durch das Ahrtal gerauscht ist, ist der 40 Zentimeter hohe Schlamm aus Keller und Erdgeschoss beseitigt. Alle Möbel und Einbauten sind entsorgt, die Tapeten vom Putz gezogen. Die Geröllberge um das Haus sind entfernt. THW, Bundeswehr, freiwillige Helfer und seine Kumpels haben in diesen drei Wochen ganze Arbeit geleistet. Zwei Campingstühle und ein Tischchen sind Hubberich für seine Terrasse geblieben. Im ganzen Erdgeschoss kein einziges Möbel. Hundert Meter weiter – in der Wüstenei, die einmal das Ahrtal war – versuchen Bergepanzer den Fluss wieder in ein provisorisches Bett zu schieben.
Dieter Hubberich gehört zu den ersten Flutopfern in Hönningen und Ahrbrück, die von den Spenden der VRM-Leser profitieren. 3000 Euro Soforthilfe hat ihm die Gemeinde zunächst aus dem Spendentopf überwiesen. Er gehört zu den Begünstigten, die es am dringendsten nötig haben. Keine Versicherung, so gut wie keine Ersparnisse und bei 1000 Euro Rente monatlich auch nicht kreditwürdig.
Seit dem Motorradunfall – „4.5.1984“ – kann Hubberich seinen linken Arm nicht mehr heben. Das hat ihn nicht davon abgehalten, noch mehr als 20 Jahre lang zu arbeiten. Viele Jahre als Vermesser beim Grenzamt, zuletzt Wachen schieben bei einer Sicherheits-Firma. Seit er eine vorgezogene Rente bezieht, macht er sich ehrenamtlich im Dorf nützlich: „Heckenschneiden und sowas. Man ist ja nicht faul“.
Spenden kommen unerwartet
Mit der Spende durch die Leser der VRM hat er nicht gerechnet. Kühlschrank, Waschmaschine und Herd gehören zu den ersten Anschaffungen, die er jetzt tätigen will. Die unerwartete Hilfe, scheint ihn aber auch zu beschämen: „Andere haben ihr ganzes Haus verloren.“ 50 Meter weiter hat es das Gemeindehaus weggerissen: „Das ist von einem schweren Baum regelrecht aufgespießt worden“. Von seinem Gartenhäuschen hinter dem Haus, Baujahr 70, hatte die Flut die Bodenplatte mitgerissen: „Drei mal vier Meter. Wenn die mein Haus getroffen hätte, wäre hier auch Schluss gewesen.“ So muss Hubberich nur das komplette Gebäude instandsetzen: Neue Fenster, neues Bad, neue Küche, neue Haustür, neue Heizung, neue Böden, neue Möbel, neue... Bis zu 100 000 Euro schätzt er, je nachdem wieviel er mit seinem Bruder – Halbhöhenlage – und seinen Kumpels selber machen kann. „Wenn der Staat nicht einspringt, bin ich am Ende“.
Hat er keinen Gutachter kommen lassen? „Wofür“, fragt Dieter Hubberich in der scheinbaren Naivität der Eifeler Mundart. Nachdem vor drei und vor zwei Jahren Vater und Mutter gestorben waren – „deren Rente fehlt jetzt natürlich“ – hatte er den Versicherungsvertreter nach einer Elementarversicherung gefragt: „Der hat sich auf dem Absatz umgedreht und ist wieder gegangen“. Das mit der Pflichtversicherung für alle Hausbesitzer müsse unbedingt kommen, sagt er.
Gelassenheit trifft auf Galgenhumor
Was sein Schicksal angeht, übt sich Hubberich in Gelassenheit: „Wenn Du willst, dass alles gerecht ist, wirst Du nicht mehr glücklich.“ Und in Galgenhumor: „Et kütt wie et kütt.“ Bei der Frage, wieviel Schlaf er findet, wird allerdings deutlich, dass es mit der Gelassenheit nicht weit her ist: „Zwei, drei Stunden pro Nacht. Danach geht mir alles im Kopf rum“. Und tagsüber mal eine Stunde Schlaf nachholen? „Nicht dran zu denken.“ „Ach übrigens“, sagt er zum Schluss, als hätte er sich noch nicht alles von der Seele geredet: „Mein Wohnwagen stand flussabwärts. Der ist jetzt auch weg.“
So werden die Spenden der VRM-Leser verteilt
1,59 Millionen Euro haben die Leser der VRM bisher schon für die Flutopfer in Ahrbrück und Hönningen gespendet. Und die Hilfsbereitschaft versiegt offenbar nicht.
Die Hilfen: Sie sollen so schnell wie möglich ankommen - ohne eine Euro Abzug. Die ersten Überweisungen sind bereits getätigt. Die Gemeinderäte von Ahrbrück und Hönningen haben dafür in Abstimmung mit dem Bürgerverein Ahrbrück Kriterien entwickelt, nach denen die Hilfen möglichst gerecht und transparent vergeben werden.
Das Grundprinzip: Wer stärker geschädigt ist, bekommt mehr. Wer sozial bedürftig ist, bekommt mehr. Wer nicht versichert ist – sich häufig such nicht versichern konnte – bekommt mehr. Allen Opfern der Überflutung in den beiden Gemeinden wurden sehr einfach gehaltene Anträge persönlich zugestellt.
Die Staffelung: Wenn Gebäude und Hausrat versichert waren, werden Flutopfern 500 Euro Ersthilfe gewährt. Wenn der Hausrat nicht versichert war – je nach Haushaltsgröße und sozialer Bedürftigkeit – 500 Euro bis 3500 Euro. Wenn Gebäude nicht versichert waren, weitere 500 bis 3500 Euro. Wenn das Haus abgerissen wurde oder abgerissen werden muss: 5000 bis 10 000 Euro.
Wie geht‘s weiter? Bei der Gemeinde Ahrbrück sind bisher 178 Anträge eingegangen, bei der Gemeinde Hönningen 60 Anträge. Angesichts des großen Erfolgs der Leser-Spendenaktion beraten der Bürgerverein und die beiden Gemeinden darüber, ob sie nicht einen weiteren Nachbarort in die Spendenaktion einbeziehen, der von der Flutkatastrophe ebenso massiv getroffen wurde.