In der rheinland-pfälzischen Region, die vom Hochwasser am härtesten getroffen wurde, setzt erneut Regen ein. Bewohner in den Gebieten können mit Shuttlebussen evakuiert werden.
BAD NEUENAHR-AHRWEILER. Rund eineinhalb Wochen nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz hat die Wetterlage den Menschen in dem betroffenen Gebiet erneut Sorge bereitet. Wie die Leiterin des Katastrophenschutzstabs, Begona Hermann, am Samstag mitteilte, habe dort bereits Regen eingesetzt. Im weiteren Verlauf rechne der Deutsche Wetterdienst mit örtlichen Niederschlägen im Bereich von maximal 30 bis 40 Litern pro Quadratmeter. Ab Sonntagmorgen gegen 6 Uhr könne sich die Wetterlage noch verschärfen.
Die Zahl der Toten lag wie am Vortag bei 132, die der Verletzten bei 766. Das sagte ein Polizeisprecher am Samstag in Koblenz. Weiterhin würden noch 149 Menschen vermisst.
Evakuierungsangebot für betroffene Gebiete
Den besonders betroffenen Kommunen sei angesichts des Regens ein Evakuierungsangebot gemacht worden, sagte Hermann. In den gefährdeten Gebieten Schuld, Insul, Dümpelfeld und Bad Neuenahr sollen die Menschen demnach mit Shuttlebussen zu einer Notunterkunft in Leimersdorf gebracht werden können. "Das entscheiden dann die Menschen selbst", so Hermann, denn die Wetterlage sei nicht so verschärft wie in der vergangenen Woche. "Aber wir haben eine nicht mehr funktionierende Kanalisation." Daher würden sich die Regenfälle anders auswirken als noch vor zehn Tagen.
Auch Einsatzleiter Heinz Wolschendorf betonte, dass die Auswirkungen der erneuten Regenfälle derzeit nicht absehbar seien. "Normalerweise laufen die Kanalisationsabflusssysteme, normalerweise ist der Boden nicht so gesättigt wie heute." Es sei zu erwarten, dass der Regen als Oberflächenwasser abfließen werde. Die Lage werde regelmäßig erkundet und bewertet, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Wegen der Wetterlage könnten die Helfer nicht so intensiv arbeiten wie zuvor, sagte Hermann. Dies solle für eine konzentrierte Abfall-Abfuhraktion genutzt werden. Ziel sei es, die sich am Straßenrand auftürmenden Müllberge so schnell wie möglich zu beseitigen. Denn sie seien einerseits ein Seuchenherd, andererseits störten sie den Verkehr. Zudem werde der Platz benötigt, um die Kanalisation spülen zu können.
Nach Einschätzung des Abfallwirtschaftsbetriebes habe die Flut rund 40 Kilometer mit weit über 7000 Objekten und rund 30.000 Bürgern betroffen, sagte der Landrat des Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler. "In einer ersten Prognose gehen wir von fast 200.000 Kubikmetern Sperrabfällen und 50.000 bis 60.000 Elektroaltgeräten aus." Hinzu kämen noch Bauschutt, Treibgut und Autos.
Zu einem Problem werden inzwischen auch die Massen an freiwilligen Helfern. Hermann betonte, es sei fantastisch, dass so viele Menschen helfen wollten. Doch im Moment verstopften sie die Zufahrtswege. Die Shuttlebusse, die eingesetzt wurden, um die Freiwilligen in die betroffenen Orte zu bringen, würden daher für einige Tage ausgesetzt werden. "Wir brauchen jetzt wirklich diese konzentrierte Abfall-Aktion, damit wir diesen Bereich geregelt bekommen", betonte sie.
Zuvor hatte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) am Samstag freiwillige Helfer im Krisengebiet Ahr aufgefordert, dieses wegen der schwierigen Umstände dort möglichst schnell zu verlassen. Als Grund nannte die ADD die starken Niederschläge an diesem Wochenende, die zerstörte Infrastruktur und die unübersichtliche Verkehrssituation. Den Angaben zufolge werden Shuttle-Busse eingesetzt, die die Helfer zurückbringen. Wer geplant hatte, als freiwilliger Helfer dorthin zu fahren, soll dies nicht tun.
Überlastung sämtlicher Zufahrtsstraßen zum Ahrtal
Das Polizeipräsidium Koblenz appellierte an Helferinnen und Helfer, sich nicht mehr auf den Weg in das Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz zu machen. "Die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung ist weiterhin überwältigend und ungebrochen", hieß es. Durch die Vielzahl an Menschen, "die sich heute in das Katastrophengebiet aufgemacht haben um zu helfen, kommt es aktuell leider zu einer völligen Überlastung sämtlicher Zufahrtsstraßen zum Ahrtal, sowie der Straßen im Katastrophengebiet selbst", hieß es in einer Mitteilung vom Samstag.
Alle Sammelplätze und Shuttlebusse seien ausgelastet, sagte auch Polizeisprecher Florian Stadtfeld. "Wir brauchen die wenigen befahrbaren Straßen, um die Bevölkerung mit Frischwasser, Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen und damit auch die Polizei in den entlegenen Gebieten präsent sein kann." Die Situation für die freiwilligen Helfer sei nicht ungefährlich und es komme zu massiven Behinderungen der aktuell etwa 7500 Einsatzkräfte in der Region, betonte auch Einsatzleiter Wolschendorf.
In den vergangenen Tagen hat die Kreisverwaltung Ahrweiler laut Landrat Pföhler bereits zwei Millionen Euro Soforthilfe ausgezahlt. "Seit Donnerstag sind mehrere tausend Anträge auf Soforthilfe bei uns eingegangen, von denen bereits 2000 bewilligt worden sind", so Pföhler.
Von dpa