Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen ist verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.  Foto: dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die Bundesländer dürfen muslimischen Rechtsreferendarinnen das Tragen eines Kopftuches im Gerichtssaal verbieten.

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KARLSRUHE/WIESBADEN. Das Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Zwar bedeute das Verbot einen Eingriff in die Glaubensfreiheit, dieser sei aber mit der weltanschaulich-religiösen Neutralitätspflicht des Staates und dem Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu rechtfertigen, urteilten die Karlsruher Richter (Az. 2 BvR 1333/17). Die Verpflichtung des Staates zu Neutralität gelte notwendigerweise auch für seine Amtsträger. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zähle zu den Grundbedingungen des Rechtsstaats, da jede Rechtsprechung letztlich der Wahrung des Grundgesetzes diene, heißt es in dem Beschluss.

Allerdings komme keiner der kollidierenden Verfassungsgüter ein derart überwiegendes Gewicht zu, das ein Kopftuchverbot zwingend erscheinen lasse. Gesetzliche Regelungen über eine Pflicht, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, seien verfassungsrechtlich aber nicht zu beanstanden.

Geklagt hatte eine Deutsch-Marokkanerin aus Frankfurt, die im Januar 2017 ihren juristischen Vorbereitungsdienst in Hessen angetreten hatte. Nach einem Erlass aus dem Jahr 2007 können Referendarinnen ihre Ausbildung zwar mit Kopftuch absolvieren. Sie dürfen damit aber keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie als Repräsentantinnen der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden können. In der Praxis bedeutet das, dass sie nicht mit Kopftuch auf der Richterbank sitzen, keine Sitzungsleitungen und Beweisaufnahmen durchführen oder Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft übernehmen dürfen.

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Hessische Justizministerin begrüßt Entscheidung

Die Tatsache, dass sich das Kopftuchverbot auf wenige einzelne Tätigkeiten beschränke, spreche für seine Verfassungsmäßigkeit, heißt es in der Entscheidung der Karlsruher Richter. Rechtsreferendare hätten wie Beamte die Werte zu verkörpern, die das Grundgesetz der Justiz zuschreibe. Anders als etwa in der bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule trete der Staat dem Bürger in der Justiz „klassisch-hoheitlich“ gegenüber.

Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann begrüßte die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Für die Verfahrensbeteiligten, für die Gerichtsverhandlungen ohnehin schon mit großer Anspannung verbunden seien, sei die Neutralität bei einer Frau mit Kopftuch auf der Richterbank nicht mehr ohne Weiteres zu erkennen, erklärte die CDU-Politikerin. „Während Vielfalt und Weltoffenheit im täglichen Leben wichtige Stützen des gesellschaftlichen Zusammenhalts sind, müssen in einem Gerichtssaal, bei dem der Staat den Bürgern mit großer Beeinträchtigungswirkung gegenübertritt, andere Regeln gelten“, so Kühne-Hörmann.

Das Kopftuchverbot bedürfe einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage, heißt es im Beschluss des Karlsruher Gerichts. Dies sei in Hessen mit den Vorschriften des Juristenausbildungsgesetzes und des Beamtengesetzes gegeben. Danach gilt die Pflicht für Beamte, sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten, auch für Rechtsreferendare.

Neutralitätspflicht auch für Rechtsreferendare gültig

Die Deutsch-Marokkanerin hatte sich im Frühjahr 2017 zunächst erfolgreich gegen das Kopftuchverbot zur Wehr gesetzt. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte moniert, für das Verbot gebe es keine rechtliche Grundlage. Eingriffe in die Religionsfreiheit könnten nicht mit einem Erlass verfügt werden, sondern müssten vom Gesetzgeber geregelt werden. Dieses Urteil hob der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel auf Beschwerde des Landes hin schon wenige Wochen später auf. Insbesondere Verfahrensbeteiligte könnten durch eine Referendarin, die die staatliche Autorität repräsentiere und ein Kopftuch trage, Zweifel an der Neutralität dieser Person und damit der Justiz haben, so der VGH.

Zudem habe das Frankfurter Gericht verkannt, dass es mit dem hessischen Beamtengesetz und dem Juristenausbildungsgesetz eine gesetzliche Grundlage gebe. Die Vorschriften regelten „eindeutig und unmissverständlich“, dass die Neutralitätspflicht für Landesbeamte auch für Rechtsreferendare Gültigkeit habe.

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Den Antrag der Frankfurter Referendarin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die VGH-Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Juli 2017 abgelehnt.