Die Staatsanwaltschaft Darmstadt meldet einen Ermittlungserfolg: Eine 32-Jährige soll den Anschlag an der Lichtwiese verübt haben. Zweifel bestehen an der Schuldfähigkeit.
DARMSTADT. Der Durchbruch ist da: Sieben Monate nach dem aufsehenerregenden Giftanschlag auf dem Gelände der Technischen Universität (TU) Darmstadt konnten die Ermittler eine verdächtige Person ausfindig machen: Wie Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium Südhessen am Donnerstagvormittag mitteilten, soll eine 32 Jahre alte Studentin aus Mainz für die Vergiftungserscheinungen bei sieben Angehörigen der TU verantwortlich sein. Die Verdächtige ist inzwischen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, erklärte Oberstaatsanwalt Robert Hartmann.
Der Giftanschlag in dem Gebäude L2/01 sorgte bundesweit für Aufsehen und Entsetzen in der Stadtgesellschaft. Am 23. August klagten sieben Personen nach dem Verzehr verschiedener Lebensmittel über Vergiftungserscheinungen, wie etwa einer bläulichen Hautfärbung. Ein 30 Jahre alter Mann schwebte kurzzeitig in Lebensgefahr. Zwei Tagen nach der Vergiftung konnten die Geschädigten das Krankenhaus wieder verlassen. Relativ früh konnte die Spurensuche bei mehreren Lebensmitteln – darunter diverse Milchpackungen und Wasserbehälter – Spuren einer toxischen Substanz nachweisen, deren Name die Staatsanwaltschaft nach wie vor nicht verraten möchte. Die Lebensmittel waren in drei Teeküchen aufbewahrt, zu denen die TU-Angehörigen freien Zugang hatten.
Bis zu 3000 Akten zum Fall
Direkt nach Bekanntwerden wurde die Mordkommission „Licht“ - in Anlehnung an den TU Standort Lichtwiese - ins Leben gerufen, der zwischenzeitlich bis zu 50 Beamte angehörten. In Darmstadts jüngerer Kriminalgeschichte war die Gründung einer solchen Ermittlergruppe einmalig. Als knifflig erwies sich die Spurenauswertung: Nach Angaben der Staatsanwaltschaft mussten Spurenträger im vierstelligen Bereich untersucht werden, die Ermittlungsakte Lesen Sie auch zum Thema: umfasste bereits im November gut 3000 Seiten.
Laut Oberstaatsanwalt Hartmann legen den Ermittlungen zufolge „dringende Gründe“ dafür vor, dass die Kommilitonin die Lebensmittel im Gebäude, das zu den Materialwissenschaften an der TU zählt, die Lebensmittel „mit gesundheitsschädlichen Stoffen“ versetzt hat. Über die genaue Substanz hüllt sich die Staatsanwaltschaft weiter in Schweigen. Medienberichten zufolge stand 1,4 Butandiol, ein Liquid-Ecstasy-Ersatz, im Raum, was die Behörde offiziell aber nie bestätigt hat.
War die Frau überhaupt schuldfähig?
Weiter liegen Hinweise dafür vor, dass die beschuldigte 32-Jährige zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig war, die Studentin wurde nun in einem psychiatrisches Krankenhaus untergebracht. Das Amtsgericht Darmstadt gab dem Antrag der Staatsanwaltschaft bereits am Mittwoch statt, erklärt Hartmann weiter. Zum konkreten Krankheitsbild äußert sich die Staatsanwaltschaft bislang nicht, deutet aber an, dass sich die Beschuldigte von den Mitarbeitern der TU „verfolgt fühlte“, was Hinweise auf eine paranoide Schizophrenie geben könnte.
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Aufgrund der Auswertung digitalforensischer Spuren sei rekonstruierbar, dass sich die 32-Jährige in der Nacht auf den 23. August in dem Gebäude L2/01 aufhielt und die Mitarbeiter, die Vergiftungserscheinungen aufwiesen, in Aufzeichnungen der Frau auftauchten. Inwieweit genau die Verdächtige mit den TU-Angehörigen in persönlicher Verbindung stand, ist aktuell noch nicht verlautbart worden.
Das Polizeipräsidium Südhessen wertet die Ermittlungen als großen Erfolg. „Die im Rahmen der Reform der Kriminalitätsbekämpfung neu eingerichtete und erstmals aufgerufene Mordkommission hat sich bewährt“, sagt Kriminaldirekter Jens Peter Thiemel.
Eine erste Reaktion der TU nach dem Ermittlungserfolg steht noch aus, die Pressestelle der Universität war für eine erste telefonische Stellungnahme nicht zu erreichen.
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