Rosenmontag fällt aus, die Motivwagen bleiben ungebaut, aber deren tolle Ideen und witzigen Karikaturen kann man sich im Lulu anschauen. Manchmal bleibt das Lachen im Hals stecken.
MAINZ. Es ist so schade! Tolle Ideen, witzige Karikaturen, das Team um Dieter Wenger stand bereit – und dann kam die Fastnachtsabsage. Kein Rosenmontagszug, keine Motivwagen. Doch die Mainzer Narren wollten die ironischen, mahnenden Zeichnungen mit den passenden, originellen Versen nun nicht in einem Archivkeller ablegen, sondern präsentieren sie nun in einer Bauzaun-Galerie im Lulu, dem ehemaligen Hertie/Karstadt.
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Es sind neun schöne Karikaturen mit feiner Ironie, hintergründigem Witz, mit Mut zum Kokolores, aber auch zu ernsten Worten. Die Mainzer Motive ragen besonders heraus, allerdings erntete das Motiv „Friedenspfeifchen“ mit einem zugedröhnten Koalitionstrio die meisten spontanen Lacher bei der Enthüllung. Man sieht Habeck und Scholz, wie sie als selbstzufriedene Kiffer in größter Gelassenheit unter der Jamaika-Palme sitzen, während der an einer Ampel lehnende Christian Lindner in Hawaiihemd, Bermudas, Socken und Slippern eher überfordert und reichlich derangiert rüberkommt. Der Vers dazu: „Man duzt sich, zeigt sich ganz versöhnt, berauscht vom Sieg und zugedröhnt, raucht man gemeinsam Cannabis, weil wohl schon bald legal es is.“
Entwürfe an Bauzäunen
Die Entwürfe sind großformatig an Bauzäunen angebracht und finden sich im zweiten Obergeschoss des Lulu an der Ludwigsstraße. „Wir sind froh, wenigstens ein bisschen Fastnacht unter die Leute bringen zu können“, sagte bei der Eröffnung MCV-Präsident Professor Reinhard Urban, „und zwar das, was den Rosenmontagszug mit ausmacht – die Motivwagen.“ Die Macher hätten sich soviel Arbeit gemacht, obwohl recht früh klar gewesen sei, dass es keinen Zug und keine Wagen geben werde. „So können wir wenigstens einen Eindruck geben, was wir karikieren und anmahnen wollten.“
Boris Henkel, der Sprecher des Kreativkreises des MCV, machte keinen Hehl aus der Enttäuschung über die Zugabsage, „aber dann erwuchs daraus die Begeisterung für dieses Projekt hier in der Lulu“. Und auch wenn sich jeder die dreidimensionale Umsetzung all der Motive gewünscht hätte, so sind sie nun wenigstens zu betrachten. Schon Motiv Nr. 1 mit Kartoffelbauer Michael (Ebling), der Dank Biontech nun geboosterte goldene Kartoffeln ernten kann, ist fein getroffen und bis ins Detail schön gezeichnet.
Noch zwei weitere Mainzer Motive gibt es: Zum Denkmalschutz, für den das Mainzer Rathaus etwas Heiliges und damit Unveränderbares darstellt, während die Kokolores-Karikatur die „Energiewende – Mainzer Modell“ zeigt – einen Mainzer der mit Handkäs-getriebenen Flatulenzen (meenzerisch: Bumbesjer) ein Windrad antreibt. Die Union, wie sie vor Jamaika absäuft, das digitale Deutschland mit Fax und Aktenordnern oder EU-Kommissionschefin von der Leyen mit dem auseinanderdriftenden Europa, sind weitere Motive.
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Stark in der Aussage, hervorragend umgesetzt, aber weniger zum Lachen, sondern viel mehr zum Nachdenken anregend sind die Zeichnungen „Wir grillen weiter“ zum Klimawandel, vor allem aber „A-Social Media“. Dabei geht es um Hass-Beiträge in sozialen Netzwerken wie Facebook und Telegram. Es ist brillant umgesetzt, wenn man sieht, wie das bekannte Facebook-Symbol der Hand mit hochgerecktem Daumen eine Waffe hält, die eben Artikel 1 des Grundgesetzes mit zwei Kugeln durchlöchert hat. Besser lassen sich die Folgen von Hass-Kommentaren karikaturistisch nicht umsetzen.