Die klimawandelbedingte Trockenheit sorgt für Ernteeinbußen beim Gerstenanbau. Das könnte das Bier verteuern. Werden die Verbraucher bald vor leeren Regalen stehen?
RHEIN-MAIN. Wir trinken es auf Konzerten, bei Veranstaltungen, zu Hause, allein oder mit Freunden: Bier ist fast allgegenwärtig und trotz der allgemein bekannten Gefahren von Alkoholkonsum fest in der Gesellschaft verankert. Immerhin tranken Deutsche im Jahr 2021 im Schnitt rund 92 Liter, wie der Deutsche Brauer Bund ausgewertet hat. Noch sind neue Kästen im Getränkemarkt des Vertrauens immer zur Hand. Doch wie sieht das in Zukunft aus? Denn die steigenden Temperaturen und fehlenden Niederschläge im Sommer setzen der Braugerste enorm zu. Wird Bier bald zum Luxusgut?
Auch in diesem Jahr gestaltet sich der Anbau in der Landwirtschaft schwierig: Trockene Böden, Hitzeperioden und kaum Regen. Das führt überall zu Ernteeinbußen – und es wird immer wärmer. Schon 2019 kam eine Studie deshalb zu dem Ergebnis: Bier könnte durch die Folgen des Klimawandels knapp werden. Das könne den Bierpreis in Zukunft verdoppeln, in manchen Ländern sogar vervierfachen. Noch liegt der Liter Bier nach Informationen des Business Insiders bei durchschnittlich 1,43 Euro.
Besonders die Gerste rückt bei diesen Prognosen in den Vordergrund. Natürlich bringt der Klimawandel noch schwerwiegendere Probleme als den womöglich steigenden Bierpreis mit sich, aber die Gerste zählt zu den wichtigsten Kulturen in Deutschland. Außerdem darf sie im Bier nicht durch eine andere Stärkequelle ersetzt werden. Das verbietet das Reinheitsgebot von 1516.
Ausreichende Wasserversorgung fehlt
Eigentlich seien die Aussaatbedingungen im Frühjahr 2022 für die im Bier verwendete Sommergerste optimal gewesen, sagt Isabelle Sando, Geschäftsführerin der Fördergemeinschaft Braugerste Rheinland-Pfalz e.V. Allerdings habe im Laufe des Anbaus eine ausreichende Wasserversorgung gefehlt – das wichtigste Kriterium für die Sommergerste.
Vor allem die zunehmende Trockenheit im Frühjahr und Sommer sowie die Hitzeperioden wirkten sich negativ auf die Bestände aus. Die Entwicklung der Gerste könne dadurch stoppen und die Pflanze absterben. „Die Konsequenz sind geringere Erträge und schlechtere Qualitäten“, erklärt Sando. Damit die Sommergerste überhaupt in den Braukessel darf, müsse sie allerdings bestimmte Qualitäten vorweisen. Ansonsten wird sie zur Futtergerste abgestuft – und das bringt einen geringeren Preis für die Erzeuger.
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Dadurch, dass sich die Gerste nicht ersetzen lässt, sind Alternativen ausgeschlossen. Aber dass das Bier ausgeht, sehe Sando deswegen noch nicht kommen. Denn die Lösungsideen sind vielfältig: Um den Folgen des Klimawandels auszuweichen, wäre es laut Sando denkbar, den Anbau in höher gelegene Regionen zu verlagern, in denen mehr Wasser verfügbar ist. Eine andere Möglichkeit wäre auch ein Anbau im Herbst, um die Feuchtigkeit aus dem Winter zu nutzen. In Rheinhessen komme die Methode schon vermehrt zum Einsatz. „Eine andere Möglichkeit wäre eine gezielte Bewässerung, indem man das überschüssige Wasser im Winter auffängt und die Kulturen beregnet“, erklärt Sando.
Hoffnung auf die Forschungsarbeit
Zudem sind verschiedene Forschungsteams bereits dabei, neue Gerstenlinien zu züchten, die wesentlich besser mit der zunehmenden Trockenheit und sogar den Extremwetterlagen zurechtkommen. Das wird unter anderem durch die klassische Züchtung versucht. Dabei werden industriell genutzte Sorten mit wilden Gersten gekreuzt. Neben der klassischen Züchtung besteht auch die Möglichkeit, gezielt in das Erbgut der Gerste einzugreifen. Aus letzterer Methode entstandene Gerstensorten zählen laut EU-Recht bisher noch zu den gentechnisch veränderten Pflanzen und können durch strikte Auflagen so gut wie nicht angebaut werden. Aktuell überarbeitet die EU-Kommission aber das Gentechnik-Recht, um die Bestimmungen zu lockern.
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All diese Methoden sollen komplette Ernteausfälle verhindern. Dass so etwas überhaupt auftreten könnte, hält Sando für unwahrscheinlich. Allerdings könnte es künftig vermehrt zu geringeren Erträgen und Qualitäten kommen. „Jedes Jahr ist anders und hat andere Herausforderungen. Wir wissen aber nicht, was seitens der Züchtung in den nächsten Jahren kommt“, sagt Sando.
Doch Einbußen bei der Sommergerstenernte müssen durchaus in Kauf genommen werden. Ist weniger Rohstoff vorhanden, wird damit am Ende auch der Preis des Bieres steigen, sagt Sando. Vor allem, wenn die Bestände aus Deutschland nicht mehr reichen sollten und Sommergerste aus dem Ausland importiert werden müsste. Doch noch ist es nicht so weit.