Katharina Wiedenhofer und Albi Gika brechen mit ihrer Vorführung Geschlechterklischees auf mit Tanz und Kostümen. So muss Kleidung wie ein Tutu nicht bloß für Mädchen sein.
(Foto: Steffen Thimm)
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HOCHHEIM - Die Turnhalle der Weinbergschule hat sich in den vergangenen Wochen ein bisschen zur Schauspielbühne gemausert. Bereits am 26. Oktober war das Junge Staatstheater Wiesbaden (diese Zeitung berichtete) dort zu Gast, wo sonst vor den strengen Corona-Bestimmungen Kinder über den Hallenboden flitzten. Am vergangenen Dienstag gab sich ein Teil des Ensembles von „Hennemanns Horde“ die Ehre und zeigte den Kindern tänzerisch, mimisch und gestenreich, dass alles möglich ist und nichts festgelegt sein muss – weder Tanzstile, noch Kleidung, deren Farbe oder gar Geschlechterklischees.
Schulleiterin Heike Scherf begrüßt diese Kunstform – nicht allein wegen der Möglichkeit der Ablenkung und Zerstreuung für die Kinder in schlechten Corona-Zeiten, sonder viel eher für den pädagogischen Wert des (Kinder-)Theaters sowie von Theater-Workshops. „Durch Theater lässt sich die Persönlichkeit toll schulen. Es stärkt die Gemeinschaft, fördert Bewegung und Kinder lernen unter anderem, sich zu entspannen und sich zu präsentieren“, zählt sie auf. Früher habe es das klassische Theater zum Zuschauen gegeben, heute dürfen sich die Kinder darin selbst ausprobieren, es gebe dann keine sozialen Unterschiede und es sei besonders eine Chance für introvertierte Mädchen und Jungen.
Darüber hinaus strebt die Pädagogin das Ziel an, ihre Einrichtung zur Theaterschule weiterzuentwickeln; verbunden damit sei auch eine finanzielle Förderung. Lehrer der Weinbergschule werden dafür nicht nur in Theaterpädagogik geschult, es wird auch mit echten Schauspielern gearbeitet.
Welche Wirkung Tanz und Theater auf junge Menschen haben kann, zeigte sich bei der Show „Rock wie Hose“ der beiden Profis Katharina Wiedenhofer und Albi Gika, die sie an diesem Tag für die „Bienenklasse“ 3d von Lehrerin Sonja Hilgers-Pohl aufführten. Ob beim Seilziehen, Einlagen von Breakdance- und HipHop-Battles sowie Aikido- Stockkampf, Ballettbewegungen und Interagieren mit den sämtlich anwesenden 3. Klassen an diesem Tag – über allem stand die Botschaft „alles ist möglich“. Angeleitet von der künstlerischen Leiterin und Choreografin Célestine Hennermann, brachen die Darsteller spielerisch alte Vorurteile bei den Geschlechtern auf und vermittelten den Jungen und Mädchen unterbewusst den Umgang mit und die Frage nach der eigenen Existenz. Blau und Rosa? Diese Farben müssen beileibe nicht geschlechtsgebunden sein. „Vor 200 Jahren stand Rot für Blut, Macht und Kampf und war die Farbe der Könige. Rosa, das kleine Rot, war den Jungen zugeordnet“, erklärte Katharina Wiedenhofer, die 2006 ihr Tanzdiplom an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt (HfmDK) erhielt. Die durchtrainierte 35-Jährige sowie ihr zwei Jahre jüngerer Tanzpartner und nicht weniger kräftige Gika – er ist international prämiert und begann als 13-Jähriger mit dem Breakdance – tollten und wirbelten unter anderem in Reifrock und Tutu gekleidet über die Bühne. Dass hohe Stirnen mal als schick galten, auch Jungs und Männer mal ganz selbstverständlich Zöpfe trugen – all das vermittelten die Darsteller nicht mit der Keule, sondern einem Augenzwinkern. Rosa, Blau, Rot: Welche Farbe welchem Geschlecht zugeordnet wird, scheint existenziell und ist letztlich doch egal. Denn „alles ist möglich“.
Den Kindern gefiel die Vorstellung sehr und sie fragten die beiden Tänzer sowie die Choreografin im Anschluss kräftig aus. So erfuhren sie, dass so ein 45 Minuten dauerndes Stück sechs Wochen Proben bedeutet und dass die daran Beteiligten sechs bis acht Stunden täglich dafür üben müssen. Kostüme müssen entworfen und genäht, das Bühnenbild ausgearbeitet sowie Choreografie und Musik aufeinander abgestimmt werden.
Da coronabedingt die schuleigenen Theater-AGs für die „Kleinen“ (Klassen 1 und 2) und „Großen“ (Klassen 3 und 4) ausfallen müssen, sind Rektorin Heike Scherf und die Klassenlehrer hocherfreut über den Ausgleich. „Endlich mal was anderes, das sagten meine Schüler, als sie von der Aufführung hörten“, sagt Sonja Hilgers-Pohl. Den Kindern fehle es an Ausflügen, es gebe kaum kulturelle Angebote. Umso begeisterter wurde dann auch der anschließende Workshop mit den Künstlern aufgenommen, in dem die Mädchen und Jungen einige der im Stück gesehenen Tanzschritte selbst einüben konnten.