Freitag,
05.08.2022 - 00:00
3 min
Barrierefrei durch die Straßen Hochheims ...
Von Annette Zwaack

An den Kreuzungen und Einmündungen wurde geprüft, ob die Absenkung und/oder Markierung ausreichend ist, damit ein Rollifahrer die Straße problemlos überqueren kann.
HOCHHEIM - Zu einem Rundgang durch die Straßen der Hochheimer Kernstadt hatte der Beirat Inklusion kürzlich eingeladen. Es ging darum, zu erkunden, welche Hindernisse sich für Menschen mit Handicap in Hochheims Straßen auftun, wenn sie zu Fuß oder per Rollstuhl unterwegs sind, wenn sie zum Einkaufen wollen oder einen Arzt aufsuchen müssen. Manche Schwachstellen sieht man auf den ersten Blick, die zu niedrig aufgehängte Hinweistafel eines Vereinsfestes vielleicht erst, wenn man mit der Schulter bereits hängengeblieben ist.
Der Rundgang zum Thema Barrierefreiheit war mit dem Bauamt abgesprochen, denn die geplante Verlegung des Glasfaserkabels – mit dem Start kann noch in diesem Jahr gerechnet werden – würde die Erneuerung oder Verbesserung der Gehwege und Absenkung an Kreuzungen finanziell tragbar machen. Die Stadt müsste nur anteilig für die Maßnahmen aufkommen.
Deshalb war auch Martin Coridaß, Teamleiter im Bauamt – mit Notizbuch und Kugelschreiber ausgerüstet – dabei.
Vom Beirat Inklusion nahmen dessen Vorsitzender William Geier mit seiner Assistenz Fanny Schmartz teil, die Beiratsmitglieder Inge Semmler, Georg Treber, vom Seniorenbeirat Winfried Schmidt, Petra Kunz vom „Büro Älterwerden“, und als Gäste Brigitte Tuisel und Sandra Eisenberg; außerdem Jan Nokel vom Amt für Familie, Jugend und Senioren, dort ist der Beirat angesiedelt.
Schon mal mit dem Rolli gekippt
Wichtigste Teilnehmer waren die Rollifahrer William Geier und Georg Treber, die als Seismographen selbst für die kleinsten Holperstellen fungierten.
Selbstständigkeit und Mobilität im Alltag versprechen die modernen Elektro-Rollis, aber wenn der Schwerpunkt nicht wirklich ganz unten liegt, dann birgt selbst ein minimaler Absatz im Bordstein die Gefahr, dass das Gefährt samt Insassen umkippt. William Geier kann ein „Lied davon singen“. Ihm ist es schon mal passiert und es war eine größere Aktion, den Rolli wieder aufzurichten – zum Glück blieb er unverletzt.
Fast an jeder Ecke in der Massenheimer, Delkenheimer und Weiherstraße sind die Absenkungen ungenügend. Als William Geier die Schwierigkeit demonstrieren will, ist er auf die Hilfe seiner Assistenz Fanny Schmartz angewiesen, die heftig Druck auf den Rollstuhl ausübt, damit das Gefährt den Bürgersteig erklimmen kann. William Geier ist ein versierter Rollifahrer, kennt fast alle Schwachstellen: „Und wenn dann mal eine Absenkung gut zu fahren ist, dann kommt es vor, dass ein Auto halb darauf geparkt hat.“
INKLUSION
Aus dem Leitbild des Beirats Inklusion: 1. Wir verstehen Inklusion als gesamtgesellschaftlichen Prozess; 2. Wir vertreten die Interessen und Belange von Menschen mit Behinderung, sowohl in der Öffentlichkeit als auch gegenüber den städtischen Gremien; 3. Wir erarbeiten eigenständig Vorschläge und Konzepte zur Verbesserung der Teilhabe dieser Menschen am öffentlichen Leben ... 7. Wir wollen zusammen mit der Stadt Hochheim am Main dazu beitragen, dass sich eine ausgeprägte „Kultur des Miteinanders“ entwickelt.
Mülltonnen, Elektrokästen, Sperrmüll
An diesem Abend – heute besonders mit für Hindernisse aufmerksamen Augen – müssen die Teilnehmer oft den Kopf schütteln. Halteverbotszonen werden missachtet, Mülltonnen stehen mitten auf dem Gehweg oder Sperrmüll türmt sich als unüberwindbarer Berg auf dem Trottoir auf. Es liegt bestimmt keine Absicht bei den Verursachern – interessierte Flohmarkthändler grasen ja immer wieder die Straßen ab, schichten den Sperrmüll um und lassen ihn ungeordnet liegen –, doch für den Rollifahrer bedeutet das in Konsequenz, dass er wenden, bis zur nächsten Ecke zurückfahren und dann einen neuen Weg suchen muss. Elektrokästen verengen den Weg, Wohnmobile haben sich Teile des Gehwegs erobert. Hecken sind nicht geschnitten, die Äste ragen weit auf den Gehweg.
Doch nicht nur Rollstuhlfahrer können zum Thema Barrierefreiheit etwas beisteuern: Bürgersteige, die sich gesetzt haben und stark zur Fahrbahn neigen, machen auch der Mutter mit Kinderwagen zu schaffen, weil sie dauernd gegensteuern muss.
Sandra Eisenberg, die wegen einer Sehbehinderung an Kreuzungen mit den Füßen ertasten muss, wie hoch die Bordsteinkante ist, würde sich generell über eine weiße Markierung, eine „taktile, optisch abgesetzte Bodenmarkierung“, wie es offiziell heißt, freuen. Dazu gehören auch die Felder mit den Noppen und die Leitstreifen, die die Gehrichtung markieren. In Hochheim kennt man diese Markierungen häufig von den Bushaltestellen.
Bauamtsmitarbeiter Martin Coridaß hat am Ende des Rundgangs neun Punkte notiert, die einen dringenden Umbau erforderlich machen.
Der Slogan „Hochheim am Main – Wir leben Inklusion“ aus dem Jahr 2018, mit dem Hochheim den Abschluss des Projekts Modellkommune Inklusion feierte, sollte als Auftrag an alle Bürgerinnen und Bürger und die Stadtverwaltung verstanden werden.