Stefanie Müller-Terwyen und Luzia Siegfried zeigen, wo sich die beiden Bienenvölker im Vorgarten niedergelassen hatten. Es war nur ein Rastplatz, der kleine Baum war für eine neue Heimat völlig ungeeignet.
(Foto: Dietmar Elsner)
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HOCHHEIM - Vergangenen Freitag hörte Stefanie Müller-Terwyen gegen 17 Uhr in ihrer Wohnung „Auf der Schanze“ ein extrem lautes Summen und Brummen. Sie rief ihren Mann Herbert Terwyen herbei und vor dem Haus stehend sahen sie dann, wie eine den ganzen Himmel bedeckende schwarze Wolke über dem Haus kreiste. Es waren schwärmende Bienen. Immer enger ballte sich der Schwarm zusammen und ließ sich nach und nach an einem Baumstamm im Vorgarten nieder.
Anruf bei der Feuerwehr und ein Imker kommt zu Hilfe
Der seltsame Fluglärm war erst einmal deutlich leiser geworden, der Himmel wieder blau und zwischen den Zweigen hingen zwei Klumpen mit aufgeregt wuselnden Bienen. Die ersten Nachbarn kamen hinzu. Was tun? Herbert Terwyen rief die Feuerwehr an. Die leiteten den Notruf an eine kompetentere Stelle weiter und schon nach gut 20 Minuten bog ein Auto mit aufgemalter Honigwerbung in die Straße ein und ein weiß gekleideter Mann stieg aus. Der sah sich um, verlor keine Zeit und sprühte erst einmal Wasser auf die summende Masse.
Mit fachmännischem Blick suchte der aus Wallau gekommene Imker nach der Königin und schüttete sie zusammen mit ihrem engsten Hofstaat in den mitgebrachten hölzernen Schwarmfangkasten. Ohne spezielle Schutzausrüstung, ohne Handschuhe und nur mit einer Pudelmütze auf dem Kopf. Er schloss den Deckel und stellte den Kasten auf die Erde. Durch die vorbereitete Öffnung krabbelte nun das ganze Volk zur Königin hinein. Das dauerte etwa eine halbe Stunde, immerhin handelte es sich um etwa 5.000 Tiere.
Stefanie Müller-Terwyen und Luzia Siegfried zeigen, wo sich die beiden Bienenvölker im Vorgarten niedergelassen hatten. Es war nur ein Rastplatz, der kleine Baum war für eine neue Heimat völlig ungeeignet. Foto: Dietmar Elsner
Der professionelle Schwarmfangkasten des Imkers mit dem Zugangsloch vorne und der Belüftung an der Seite. Foto: Herbert Terwyen
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Ausgedienter Farbeimer für den zweiten Bienenschwarm
Währenddessen hatte er Zeit für den zweiten Bienenschwarm am Baumstamm. Er hatte nur einen Kasten mitgebracht und musste improvisieren. Er fragte die immer mehr werdenden Zuschauer, ob sie ihm ein Gefäß, einen Karton oder irgendeinen Kasten mit Deckel besorgen könnten. Es klappte, ein Nachbar fand etwas und schon wurde aus einem leeren Farbeimer ein Bienenrettungscontainer. Fachmännisch bohrte der Imker Löcher in den Deckel, schüttete die zweite Königin in den Eimer und drückte den Deckel zu. Sofort begann auch der zweite Schwarm, zur Königin zu eilen und durch das Loch in den Eimer zu kriechen.
Der Fachmann beantwortet die Kinderfragen
Etliche Leute schauten mittlerweile interessiert zu und vor allem die Kinder wollten wissen, was hier geschah und überschütteten den Imker regelrecht mit Fragen: „Woher kommen die Bienen denn?“ „Das weiß ich auch nicht. Die können beim Schwärmen bis zu zehn Kilometer weit fliegen.“
„Könnten die nicht hier im Garten bleiben?“ „Nein. Schwärmende Bienenvölker haben hier praktisch keine Überlebenschance. Es gibt bei uns keine passenden Wohnungen im Freien für sie, wie alte Baumstämme mit großen Höhlen drin.“
„Sind die Bienen nicht gefährlich? Werden Sie nicht gestochen?“ „Sie sind nicht gefährlich und sie stechen auch nicht. Und wenn doch mal eine sticht, dann macht mir das nichts aus.“
„Haben sie viele Bienen?“ „Ja, ich habe viele Völker.“
„Gehen die Bienen nur zu einer bestimmten Königin?“ „Ja. Die Königin hat ihre eigenen Geruchsstoffe, die Bienen riechen das und gehen nur zu ihrer Königin.“
„Was machen Sie jetzt mit den Bienen?“ „Die stelle ich bei mir zwei Tage lang in den Keller, damit sie sich beruhigen und zusammen finden. Von selbst würden sie weiter schwärmen und solange fliegen, bis sie eine brauchbare Höhle gefunden haben.“
„Verhungern die da nicht im Keller?“ „Die haben für ihre Reise Futter für drei Tage dabei.“
„Haben Sie schon öfter Bienen eingefangen?“ „Auch vorige Woche hab ich drei Völker eingesammelt.“
Weshalb schwärmen Bienen aus?
Schwärmen ist die natürliche und angeborene Methode zur Vermehrung der Bienenstaaten. Ausgelöst wird dieser Trieb durch die Vergrößerung des Volkes im Frühsommer. Typischerweise, wenn im Mai und Juni das Nahrungsangebot groß, die Bienen immer zahlreicher und der Platz im Stock zu eng werden. Dann züchten die Ammenbienen mittels Gelée royale neue Königinnen. Sowohl die alte wie auch die neuen Königinnen machen sich anschließend mit bis zu 10.000 Tieren im Hofstaat auf die Suche nach einer neuen Behausung. Unterwegs legt der Schwarm Ruhepausen ein und schickt Spurbienen los, die nach Nistgelegenheiten suchen. Finden sie keine, erhebt sich der ganze Schwarm wieder und fliegt weiter. Die Imker versuchen das Schwärmen zu vermeiden. Schließlich sollen sie gerade in dieser Zeit Honig produzieren und nicht in Gruppenreisen zu neuen Ufern fliegen.
Für den Imker war es übrigens nicht nur eine Rettungsaktion. Bienenvölker sind wertvoll, sie werden gehandelt und kosten je nach Bienenart zwischen 130 und 350 Euro.
Die Eigentumsrechte sind gesetzlich geregelt. Wenn der Imker sein schwärmendes Volk verfolgt, bleibt es in seinem Besitz. Entkommt es und wird von einem anderen Imker eingefangen, gehört es dem neuen Besitzer.
Fantastisches Erlebnis für die ganze Nachbarschaft
Für die Anwohner ringsumher war es jedenfalls ein spannendes Ereignis im sonst eher ruhigen Wohngebiet nördlich der Tennisplätze. Stefanie Müller-Terwyen ist noch immer begeistert: „Das war fantastisch, etliche Nachbarn und ganze Familien waren gekommen, um zu sehen, was aus der dunklen Wolke am Himmel geworden war.
Das war nicht nur Unterhaltung, das waren zwei Stunden mit richtig interessantem Biologieunterricht!“