HOCHHEIM - Bleibt sie oder wechselt die städtische Bücherei an einen anderen Standort? Um die Frage der Neugestaltung der öffentlichen Bildungseinrichtung ging es in der Sozialausschusssitzung am 18. Februar.
An ihrem jetzigen Standort in der Kirchstraße 17 bietet die Stadtbücherei rund 12.500 Medien, verteilt auf 130 Quadratmeter Fläche. Der Standort in der Kirchstraße ist bereits die siebte Station in 57 Jahren, seit der Eröffnung am 22. Dezember 1963 in einem Nebenraum des ehemaligen Feuerwehrgerätehauses.
Nach der Empfehlung der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken sollte eine Kommune mindestens ein Medium pro Einwohner vorhalten, einen Medienetat von mindestens 50 Cent pro Einwohner haben und 20 bis 30 Quadratmeter Fläche pro 1.000 Medien ausweisen können. Dies bedeutet für Hochheim derzeit mit rund 17.500 Einwohnern: 17.500 Medien, 8.750 Euro Medienetat und zwischen 350 und 525 Quadratmeter Fläche.
Nach Bezug des Neubaugebiets „Schänzchen III“ steuere Hochheim der 19.000 Einwohner entgegen. Das würde bedeuten: 19.000 Medien, 9.500 Euro Medienetat und eine Fläche zwischen 380 und 570 Quadratmeter – also mehr als viermal so viel wie am jetzigen Standort.
„Was fehlt, sind größere Flächen, zum Beispiel zum Vorlesen für Kinder oder Rückzugsmöglichkeiten für Besucher“, sagte Bürgermeister Dirk Westedt. Trotzdem habe man aus den bestehenden Möglichkeiten das Beste gemacht, wofür er das Bücherei-Team ausdrücklich lobte. Bibliotheken seien moderne Informations- und Kommunikationszentren, die allen Bürgern freien Zugang zu Informationen gewährleisten und damit einen wesentlichen Baustein zur Chancengleichheit für alle bieten.
Einen Treffpunkt inmitten der Stadt zu haben sei daher von Vorteil, so Westedt, das sei im Arbeitskreis Innenstadt besprochen worden. Außerdem solle die Bücherei eine geeignete Größe von mindestens 200 Quadratmeter haben, ein ansprechendes Gebäude mit großen Schaufenstern und einem barrierefreien Zugang.
Die Erdgeschossbereiche des Alten Rathauses oder der Leuchter-Villa sowie das Haus in der Burgeffstraße 32 seien allein von der Fläche her zu klein. Die Bücherei in den Neubau der Weinbergschule zu integrieren sei zu kompliziert gewesen und wurde zudem von der Schulgemeinde abgelehnt. Das Bürgerbüro mit angemietetem Lagerraum, der nun an den Döner-Imbiss vermietet wurde, hätte die Mindestanforderung der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken für eine finanzielle Förderung der Ausstattung von 200 Quadratmeter gerade so erreicht. Allerdings habe der Imbissbetreiber den Mietvertrag zwischenzeitlich verlängert, sodass dieser nicht zur Verfügung stehe.
Das lange Zeit leer stehende Geschäft „Fanni Schücker“ in der Frankfurter Straße dagegen hätte die richtige Mischung aus Größe, Lage und Schnitt der Flächen. Allerdings sei die Immobilie mittlerweile anderweitig vermietet worden, teilte Westedt mit.
Hat die Stadt es versäumt, sich rechtzeitig um diese Immobilie zu bemühen? Einige der Ausschussmitglieder sahen das so. Im Zuge der vergangenen Haushaltsberatungen habe man die Inhaberin nicht erreicht. Vorher tätig zu werden, dafür hätte die Verwaltung aber keinen Auftrag gehabt, erwiderte der Bürgermeister auf Nachfrage des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Florian Fuhrmann. Die Verwaltung habe es schlicht versäumt, einen Kontakt herzustellen, entgegnete Fuhrmann. Zudem sei die Immobilie bis Januar 2021 auf dem Internetportal immoscout.de einsehbar gewesen, die Beratungen aber schon im Dezember 2020 abgeschlossen gewesen mit der Notwendigkeit einer räumlichen Neuorientierung. Der Grüne sieht auch keinen Sinn für die vom Bürgermeister nach wie vor bevorzugte Variante, einen Anbau des Bürgerbüros zu errichten.
Es sei deshalb besser, zunächst die Bücherei in der Kirchstraße zu belassen, betonte Fuhrmann. Sobald eine geeignete Immobilie auf dem Markt sei, müsse sich die Stadtverwaltung umgehend darum bemühen. Auch seine Parteikollegin Birgit von Stern erinnerte, dass sich in besagter Ausschusssitzung mehrere Fraktionen von Anfang an gegen die Bürgerbüro-Anbau-Variante ausgesprochen haben. Die „kleinteilige Lösung“ mit dem Anbau sei keine Lösung für eine zukunftsgerichtete Innenstadtentwicklung.
Sie sei „entsetzt“ über den erneut in die Diskussion gebrachten Anbau im Innenhofbereich des Gebäudekomplexes, sagte Stadtverordnetenvorsteherin Claudia Weltin (FWG). Unter anderem gebe es keine direkt angrenzenden Parkmöglichkeiten. Die vorhandene Feuerwehrzufahrt zum nebenliegenden EVIM-Seniorenzentrum jedenfalls könne dafür nicht genutzt werden. Auch Weltin appellierte, die Bibliothek in der Kirchstraße zu lassen, bis es einen adäquaten Lösungsvorschlag für einen neuen Standort gebe. Was Parkplätze anginge, so Westedts Idee, könnten Besucher der Bücherei die nahe Tiefgarage kostenfrei nutzen.
Gegen die Investition in einen kleinen Anbau spreche nach Ansicht von Stephanie Kappen (Grüne), eine in Zukunft negative Veränderung in der Innenstadt. Auf der einen Seite würden Flächen durch Geschäftsaufgaben frei werden, auf der anderen Seite müsse man sehr genau überlegen, ob „man jetzt in der Pandemie Geld für diesen Anbau in die Hand nimmt, der keine Ideallösung darstellt“.
„Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, formulierte es Stefan Fuhrmann (Grüne). Es sei deutlich geworden, dass der Standort Bürgerbüro von seiner Partei „in keiner Weise als geeignet angesehen wird“. Für Fuhrmann gibt es nur eine Lösung: Schauen, welche neuen Standortmöglichkeiten es in der Zukunft geben wird.
Wenn der Vorschlag Bürgerbüro oder weitere nicht gewünscht seien, müsse man eben weitersuchen, lenkte Bürgermeister Westedt ein. Der Magistrat benötige jedoch einen Beschluss, um auf dem Immobilienmarkt tätig werden zu können. Die alte Postfiliale in der Mainzer Straße erfülle zwar die Voraussetzungen, sei aber aus Sicht der Verwaltung ungeeignet, da sie außerhalb der Innenstadt liege.
Die Debatten um einen neuen Standort der Bücherei gehen vorerst in den Fraktionen weiter und sollen in einer Sitzung des Sozialausschusses nach der Kommunalwahl erneut zum Thema werden.