Besuch bei den Taubenzüchtern in der Langgewann: (von links) Bruno Neves, Werner Bednorz, Klaus Fray, Alfred Sielka, Johann Wolf, Josef Fuchs.
(Fotos: Achim Munck)
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HOCHHEIM - Von Berlin nach Hochheim in vier Stunden, das ist mit dem Auto oder selbst mit dem Flieger kaum möglich. Die schnellsten Brieftauben schaffen das. Dazu würden die speziell gezüchteten Tauben schon als Jungtiere trainiert, erklärte der Hochheimer Brieftaubenzüchter Klaus Fray. „Vier Wochen nach dem Schlüpfen geht das los, dann müssen die Jungtauben schon mal aus zwei Kilometern Entfernung zum Schlag zurückfinden.“ Dann werden die Entfernungen immer weiter gesteigert, bis sie an den ersten Wettbewerben teilnehmen und aus einer Entfernung bis zu 300 km nach Hause finden müssen. Jungtauben absolvieren fünf Wettbewerbe im Jahr und Alttauben bis zu 13, wobei der anspruchsvollste Heimflug 600 km beträgt. Jede einzelne Taube wird im Alter von einer Woche beringt. Die Ringe tragen eine eindeutige Identifikation der Taube und die Telefonnummer des Züchters, damit verirrte oder verletzte Tauben zugeordnet werden können. Wettkampftauben bekommen zusätzlich einen Chip, einen sogenannten Transponder, mit dessen Hilfe die Taube beim Eintreffen im heimischen Schlag automatisch identifiziert und so die genaue Flugzeit ermittelt werden kann. „30 Prozent der Tauben gewinnen einen Preis“, sagte Fray.
UNESCO- Kulturerbe
Das Brieftaubenwesen wurde vor Kurzem in das deutsche Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Die UNESCO schützt und zeichnet als Welterbe „unschätzbare und unersetzliche Güter der Menschheit“ aus. Dazu gehören in Deutschland unter anderem der Aachener und der Kölner Dom, das Mittelrheintal und die Grube Messel, aber auch Industriedenkmäler, wie manche Zechen im Ruhrgebiet. Daneben zeichnet die UNESCO auch besonders schützenswerte kulturelle Ausdrucksformen als Immaterielles Kulturerbe aus, die nicht dinglich sind, die man also nicht als solche anfassen kann. Es sind besonders erhaltenswerte Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen und Fertigkeiten. Dazu gehören zum Beispiel die Reitkunst der spanischen Hofreitschule, das alpine Bergsteigen, aber auch die neapolitanische Kunst des Pizzabackens und das belgische Bierbrauhandwerk. In Deutschland entscheiden die Kultusminister über die Aufnahme.
Langwieriges Verfahren zur Anerkennung
Der Verband deutscher Brieftaubenzüchter e.V. gab im September 2017 seine erste Bewerbung zur Aufnahme des Brieftaubenwesens in die Liste des immateriellen Kulturerbes beim Kultusministerium NRW ab. Es brauchte mehrere weitere Anläufe, da es insbesondere von Tierschützern erheblichen Gegendruck gab. Es würden jährlich mehrere hunderttausend Brieftauben nicht in den heimischen Schlag zurückkehren und verenden oder verwildern, da sie von Raubvögeln geschlagen oder vor Erschöpfung nicht mehr weiterfliegen könnten. Viele davon würden sich dann den Stadttauben anschließen. Tatsächlich ist die Verlustrate bei Wettkämpfen in den letzten Jahrzehnten von fünf auf mancherorts über 30 Prozent gestiegen, da der Orientierungssinn der Vögel durch Umwelt- und auch Technikeinflüsse wie zum Beispiel Mobilfunkstrahlung erheblich gestört würde. (Quelle: RP Online) Der Verband erhofft sich durch die Anerkennung als Kulturerbe ein positiveres Image in der Öffentlichkeit. Als nächsten Schritt erhofft man sich den internationalen Status.
Besuch bei den Taubenzüchtern in der Langgewann: (von links) Bruno Neves, Werner Bednorz, Klaus Fray, Alfred Sielka, Johann Wolf, Josef Fuchs. Fotos: Achim Munck
Die ersten Jungtauben sind bereits geschlüpft und beringt, hier präsentiert Alfred Sielka seine Jungtauben.
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Es gibt in Deutschland etwa 8.000 Brieftaubenzüchtervereine, die sich selbst Reisevereinigungen (RV) nennen. Zwei davon haben Taubenschläge auf dem Gelände des Hochheimer Kleintierzüchtervereins in der Langgewann. Der RV Rhein-Main mit sieben und der RV Mainz mit zwei Züchtern. Die ersten Jungvögel sind bereits geschlüpft und beringt, sodass das Training bald beginnen kann.