Freitag,
07.04.2017 - 00:00
3 min
Verkaufsoffen, nur halt anderswo
Von Jürgen Kunert
HOCHHEIM - „Solange das Land Hessen nicht mit einem geänderten Gesetz für klare Verhältnisse sorgt, wird es in Hochheim keinen verkaufsoffenen Sonntag mehr auf absehbare Zeit geben“, so Bürgermeister Dirk Westedt am Montag im Rahmen eines gemeinsamen Pressegesprächs mit dem Vorsitzenden des Handwerker- und Gewerbevereins Werner Mäding. Dieser fügt hinzu. „Zumindest nicht einen Sonntag wie wir ihn und die Bevölkerung im Rahmen der Rheingauer Schlemmerwochen kennen. Als Familientag mit Bücher- und Spielsachenflohmarkt, mit Attraktionen und Mitmachangeboten in der Innenstadt inklusive Kinderkarussell und Präsentation der Feuerwehr Hochheim auf dem Marktplatz“. Und dem breit gefächerten Angebot der Einzelhändler und Apotheken in der Innenstadt. Ein solches branchenübergreifendes Feilbieten von Waren am Sonntag ist nach dem Durchschauen der Rechtsprechung im Rahmen des zu Fall gebrachten Sonntags zur ReWoBau obsolet. Verschiedene Parameter gilt es zu beachten, um überhaupt einen Sonntag mit Verkauf durchzuführen. Das Öffnen von Geschäften folgt nachrangig dem Anlass, der als Begründung der Beantragung eines Verkaufsoffenen Sonntags dient. Dabei muss der Anlass zusätzliche Besucher in die Stadt ziehen, die sonst nicht gekommen wären. Eine entsprechende valide Prognose gilt es hier anzugeben. Zudem muss eine örtliche Nähe vorhanden sein sowie ein inhaltlicher Bezug auf die infrage kommenden Branchen, deren Geschäfte öffnen dürfen. Wobei die potenzielle Ladenfläche dieser Branchengeschäfte kleiner sein muss, als die Fläche der entsprechenden Messe. Das bedeutet für Hochheim, während des Hochheimer Marktes können es die Geschäfte am Sonntag krachen. Welcher Marktbesucher wird sich in die Innenstadt verirren, um dort einzukaufen, wo er doch extra wegen des Marktes gekommen ist, um dort Waren zu erwerben.
Werner Mäding sieht derzeit keine andere Option, als den Sonntag fallen zu lassen. „Wir bräuchten vom Gesetzgeber die Möglichkeit an zwei bis vier Sonntagen ohne Anlassbezug einen Verkaufsoffenen Sonntag veranstalten zu können. Im Grunde genommen dreht es sich in Hochheim vor allem um den Schlendersonntag im Mai.“ Der HGV hat sich rechtlich beraten lassen, ohne positives Ergebnis. „Es bedeutet das Ende des Familientags.“
Oder man tauscht einfach die Ortsschilder aus. Im Internet wird ein reichhaltiges Angebot an Verkaufsoffenen Sonntagen gelistet. Da finden sich Gemeinden, die allen Ernstes den Paragraph 6 Absatz 1 des Hessischen Ladenschlussgesetzes als Begründung nehmen, um gleich alle Verkaufsoffenen Sonntag für 2017 zum Ostermarkt der Landfrauen, „Spaß uff die Gass“ und Künstlermarkt festzuzurren: „An diesen Terminen dürfen Verkaufsstellen für Waren aller Art in der Gemeinde Trebur...offen gehalten werden.“ Die Landfrauen verkauften Kuchen und gebasteltes für einen guten Zweck, es gab einen Künstlerflohmarkt, die Geschäfte hatten geöffnet, darunter auch zwei Modegeschäfte. Wie in Hochheim, nur zwei Nummern kleiner. Da will das Aktionsbündnis aus Gewerkschaften, Katholischer Arbeitnehmerbewegung und Kirchen konsequent für den verkaufsfreien Sonntag streiten. In Hochheim werden künftig die an zwei Händen abzuzählenden abhängig Beschäftigten sich sonntags nicht mehr verdingen müssen. Und in Trebur (oder andernorts)? Wie kann es sein, dass sich ein Aktionsbündnis bildet, dass sich zumindest vom Namen her für Hessen zuständig fühlt, aber offenbar nur selektiv die Rechtmäßigkeit prüfen lässt. In Zeiten des Internets ist es ein Leichtes, alle geplanten Verkaufsoffenen Sonntage zu listen. Wer kategorisch sein Anliegen einfordert, muss auch danach handeln, sonst entwertet er sein Anliegen und könnte den Anschein von Willkür erwecken. Dann wäre das Aktionsbündnis „kein Geschenk des Himmels“.