Ärzteprotest in Hessen: Praxen bleiben zu

Aus Protest gegen Leistungskürzungen bleiben mehrere Haus-, Kinder- und Facharztpraxen am Mittwoch geschlossen.
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Am Mittwoch werden viele Haus-, Kinder- und Facharztpraxen geschlossen bleiben. Ärzte kritisieren „versorgungsfeindliche Politik“, die sich auch gegen Patienten richte. 

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Region. Aus Protest gegen geplante Leistungskürzungen schließen an diesem Mittwoch zahlreiche Haus-; Fach- und Kinderarztpraxen in Hessen. Ein weiterer Protesttag ist am Mittwoch, den 30. November geplant. Zu den Protesttagen haben der Hausärzteverband Hessen (HÄVH) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, Landesverband Hessen (BVKJ) aufgerufen.

„Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die gewohnte und bewährte ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten massiv gefährdet ist, wenn die Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und den Krankenkassen umgesetzt werden“, sagt Armin Beck, Vorsitzender des HÄVH. „Unsere Patientinnen und Patienten müssen wegen der geplanten Leistungskürzungen mit längeren Wartezeiten für Termine rechnen. In ländlichen Gebieten müssen eventuell auch längere Anfahrtswege in Kauf genommen werden. Daher protestierten die Praxen in Hessen nicht nur für die Ärzte, sondern auch für eine gute medizinische Versorgung der Menschen“, ergänzt Burkhard Voigt, stellvertretender Landesvorsitzender des BVKJ.

Milliarden Euro in Krankenhäusern „verbrannt“

Hintergrund ist zum einen das GKV-Finanzierungsgesetz, das in der vergangenen Woche vom Bundestag verabschiedet wurde. Es sieht unter anderem vor, dass die extrabudgetäre Vergütung ärztlicher Leistungen bei sogenannten Neupatienten abgeschafft wird. „Eine Streichung dieser Regelung wird für die hessischen Arztpraxen finanzielle Einbußen in Millionenhöhe bedeuten“, sagt Martin Gunkel, dritter stellvertretender Landesverbandsvorsitzender des BVKJ.

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Zudem kritisieren die Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen, Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke, dass den Praxen der „gesetzlich zustehende Inflationsausgleich“ in den kommenden Jahren verweigert werde. Zum Hintergrund: Einmal im Jahr handeln die Krankenkassen und die KV die Honorarsätze neu aus. Für 2023 wollte die Ärzteschaft eine Erhöhung um sechs Prozent als Ausgleich für die massiv gestiegenen Praxiskosten erreichen. Die Kassen lehnten diese Forderung ab. Die Verhandlungen endeten gegen die Stimmen der Ärzteschaft mit einem Schiedsspruch zum Nachteil der Ärzte. „Dies schadet letztlich der Patientenversorgung“, sagt Jürgen Burdenski, Vorstandsmitglied des HÄVH. „Wir wurden mit einer Honorarerhöhung von zwei Prozent abgespeist. Angesichts der Inflation, die derzeit bei zehn Prozent liegt, ist das ein Hohn. Wenn die Kosten weiter steigen, werden viele Praxen ihr Angebot reduzieren müssen.“

Die Ärzte kritisieren auch, dass gleichzeitig mehr als 300 Millionen Euro an Krankenkassengeldern „zum Fenster hinausgeworfen“ würden, statt sie sinnvoll für die Versorgung der Versicherten einzusetzen – durch eine zentral gesteuerte IT-Infrastruktur, die den Ärzten aufgezwungen wurde. Diese habe sich als „völlig überteuertes, dysfunktionales System“ erwiesen, das mit häufigen Abstürzen die Arbeitsabläufe in den Praxen massiv behindere.

Im akuten Notfall ins Krankenhaus

Die Ärzte appellieren an das Verständnis der Patienten für die Protestaktion, zumal sich die „versorgungsfeindliche Politik des Bundesministers“, so die KV; auch direkt gegen die Patienten richte. Es gehe um den Fortbestand der ambulanten Versorgung in Deutschland. „Die Verantwortlichen in Berlin dokumentieren mit all ihren Beschlüssen die komplette Missachtung der ambulanten Versorgung. Immerhin haben wir Niedergelassenen während der Pandemie die Krankenhäuser vor Überlastung geschützt und 90 Prozent der Corona-Patienten versorgt. Die Politik hat die Krankenhäuser mit 200 Milliarden Euro subventioniert, während wir mit Nullrunden abgespeist werden“, kritisiert Gunkel.

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„Die Berliner Politiker zeigen damit, dass ihnen die ambulante Versorgung der Menschen vollkommen egal ist“, sagt Armin Beck. „Das kann unseren Patientinnen und Patienten nicht gleichgültig sein. Deswegen werden wir unseren Protest so lange fortführen, bis man unsere berechtigten Forderungen erfüllt und damit auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten eingeht“, ergänzt Moebus.

Die KVH rät Patienten, sich vorab in den Praxen zu informieren, ob diese an dem Protest teilnehmen. Im akuten Krankheitsfall würden sonstige notfallversorgende Einrichtungen zur Verfügung stehen.