Amazons „Herr der Ringe“-Serie „Die Ringe der Macht“ ist weder ein absoluter Triumph, noch eine Katastrophe – sondern ziemlich gute Unterhaltung. Und doch fehlt etwas.
REGION. Triumph oder Katastrophe – dazwischen schien es im Vorfeld der Veröffentlichung von Amazons „Herr der Ringe“-Serie „Die Ringe der Macht“ wenig zu geben. Auf der einen Seite die sich vor Begeisterung gerade zu überschlagenden Reaktionen der wenigen, von Amazon handverlesenen Journalisten, die schon vorab einen Blick auf das eine Milliarde Dollar teure Projekt werfen durften. Auf der anderen Seite enttäuschte Fans, die die Serie schon allein auf Basis der Trailer abschrieben und mit hämisch-ironischen Internet-Kommentaren klar machten, dass das alles für sie nur noch wenig mit J.R.R. Tolkiens Vision zu tun hat. Nun ist die Serie, nach einer gefühlt endlosen Zeit des Wartens, endlich für alle zu sehen, und es ist klar: Sie ist weder ein absoluter Triumph, noch eine Katastrophe – zumindest, wenn man von den beiden ersten, bisher verfügbaren Folgen ausgeht.
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Man sieht der Serie ihr Budget an
Da ist zum einen das Visuelle – „Die Ringe der Macht“ sieht oft unglaublich gut aus. Oder sagen wir besser: unglaublich aufwendig. Man sieht dieser ersten von vier geplanten Staffeln das in sie gesteckte Riesenbudget auf jeden Fall an. Die Serie kann es locker mit Kino-Blockbustern der vergangenen Jahre aufnehmen, die „Hobbit“-Filme eingeschlossen. Allerdings: So optisch beeindruckend Orte wie Lindon, das Reich des Hochelben-Königs Gil-galad, oder das Zwergenreich Khazad-dûm in Moria (jene im „Herr der Ringe“ verlassenen und unheilvollen Minen, die wir hier zum ersten Mal auf dem Höhepunkt ihres Glanzes sehen) gestaltet sind – es fehlt den auf Computeranimation setzenden Szenen das Gewicht, die Welthaltigkeit, mit der Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Filmtrilogie (2001-2003) Tolkiens Kosmos ausstattete. Was auch daran lag, dass damals eben an tatsächlich existierenden, für die Filme gebauten Sets gespielt wurde – eine Praxis, von der Jackson aus unerfindlichen Gründen im „Hobbit“ abrückte.
Zum anderen ist da die Geschichte, die „Die Ringe der Macht“ erzählt. Wir befinden uns im Zweiten Zeitalter von Tolkiens Welt, der alte große Feind Morgoth wurde mit großen Verlusten besiegt, aber sein fürchterlichster Diener, Sauron, hat sich vielleicht nur verkrochen, um irgendwann zurückzuschlagen. Zumindest befürchtet das die Hochelbin Galadriel, die ihn schon seit unendlich langen Jahren aufzuspüren sucht – während die anderen Elben das Übel für Geschichte halten. Galadriels Kreuzzug bildet das Hauptrückgrat der Serie, und Morfydd Clark spielt sie mit Verve und überzeugend – auch wenn es schwerfällt, sich vorzustellen, wie aus dieser forschen, herausfordernden Kämpferin die weise Elbenkönigin aus dem „Herr der Ringe“ werden soll. Das ist bei Robert Aramayos jungem Elrond schon einfacher, der auch jetzt schon Züge des klugen Diplomaten späterer Jahre durchscheinen lässt – der Dialog zwischen ihm und Galadriel im Gedenkwald der gefallenen Elbenkrieger zählt zu den besten dieser ersten zwei Folgen.
Trotz aller Opulenz manchmal seltsam leer
Doch auch die Szenen rund um Nori (Markella Kavenagh), eine Harfuß, also eine Art halb-nomadische Vorläuferin der Hobbits, bestechen durch das Herz, dass sie in diese Geschichte bringen. Nori muss sich um einen geheimnisvollen, vom Himmel gefallenen Mann kümmern, der ohne Zweifel ein Zauberer ist – abzuwarten bleibt, welcher, und ob die Serienmacher Patrick McKaye und J.D. Payne der Versuchung widerstehen konnten, ihn zu Gandalf zu machen. Und dann sind da noch der zum Wachdienst bei den Menschen der Südlanden abgestellte Waldelf Arondir, Zwergenprinz Durin IV, sowie viele weitere Charaktere, die noch kommen werden. Es bleibt zu sehen, ob so viele Handlungsstränge die Serie nicht überfrachten, schon jetzt ist das Timing teilweise off, wenn man als Zuschauer von einer Szene gerade gepackt wurde, schneidet die Serie weg und zerstört so die Spannung. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, dass sie bei aller Opulenz manchmal seltsam leer wirkt – so wie die Tatsache, dass sich Handlung und Dialoge teilweise mehr nach generischer Fantasy anfühlen als nach Tolkiens Welt. Es fehlt das Mysterium, das Erhabene, das Gefühl von Größe, das beim „Herrn der Ringe“ immer mitschwingt – kurz, es fehlt ein wenig an Seele.
Trotzdem ist „Die Ringe der Macht“ gute Unterhaltung, gerade und auch für „Herr der Ringe“-Fans – wenn man bereit ist, ein paar Abstriche zu machen. Und vielleicht besser das englische Original sieht – die deutsche Synchronisation ist leider ziemlich missraten.
Von Johanna Dupré