BTW21 – Was Wähler wollen: Pfarrer Christian Feuerstein

Christian Feuerstein ist katholischer Pfarrer in Ingelheim.     Foto: Sascha Kopp

Wir wollen in unserer Serie von Wählerinnen und Wählern wissen, was sie von der neuen Bundesregierung erwarten. Heute sagt Pfarrer Christian Feuerstein seine Meinung.

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INGELHEIM. Der Riss geht mitten durch die Gesellschaft. Und er ist sichtbar. Auf Demonstrationen, in sozialen Medien, im Bundestag. Menschen verfeinden und beschimpfen sich in Diskussionen über das Gendern, die Klimakrise und die Corona-Pandemie. Miteinander reden und sich gegenseitig zuhören? Das scheint zuweilen keine gesellschaftliche Konvention mehr zu sein. Und genau das treibt Christian Feuerstein um.

Er ist katholischer Pfarrer in Ingelheim. Die Gesellschaftspolitik hat der 43-Jährige besonders im Blick, beruflich wie privat. „Ich habe den Eindruck, dass die Gesellschaft immer mehr auseinanderdriftet“, sagt er. „Es sind tiefe Gräben entstanden.“ Gerade in der Pandemie. Beispielhaft nennt er die Schutzimpfung gegen das Coronavirus. Hier die Geimpften, die den Kopf über Impfgegner schütteln. Da die Ungeimpften, die sich unter Druck gesetzt fühlen und zum Teil gegen die Impfung hetzen.

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Diese Polarisierung der Gesellschaft zu stoppen, sieht Feuerstein als größte Herausforderung der nächsten Bundesregierung. „Die Menschen müssen wieder mehr Respekt vor der Meinung des anderen aufbringen und Verständnis füreinander zeigen“, meint er. Miteinander ringen, ja, auch streiten, sei wichtig. „Aber man braucht immer die Bereitschaft zum Kompromiss.“ Und die vermisst er zusehends.

„Habe harte Gespräche geführt“

Auch in seinem Alltag als Pfarrer macht er diese Erfahrung. Manche begegnen ihm mit Unverständnis, der eine oder andere habe ihn sogar schon bedrängt – nur, weil er und seine Kollegen die gängigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus' umsetzen. Wie Maske tragen oder Hände desinfizieren. „Ich habe schon harte Gespräche geführt“, berichtet Feuerstein.

Dass sich in Deutschland zwei verfestige Lager mit gegensätzlichen Haltungen gebildet haben, bestätigt auch eine Umfrage der Universität Münster. In den beiden Blöcken, denen ein erheblicher Teil der Bevölkerung angehört, seien Einstellungen beispielsweise zu Demokratie und Vertrauen in die Politik komplett entgegengesetzt.

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Feuerstein wünscht sich, dass die Menschen wieder mehr in den Dialog treten. Und dass die Bundesregierung diesen Austausch fördert. Beispielsweise, indem sie Begegnungsmöglichkeiten schafft. In denen sich Menschen miteinander austauschen, die gegenteiliger Meinung sind. „Natürlich ist da auch die Gesellschaft gefragt“, sagt er. „Aber die Politik muss Vorbild sein.“ Sie müsse das Wohl der Gesellschaft im Blick behalten.

„Der oder die Neue muss Teil der Gesellschaft sein“

Bevor Christian Feuerstein sich für den Beruf des Priesters entschied, absolvierte er eine Ausbildung bei einer Krankenkasse. Erst danach studierte er Theologie. Neben der Spaltung der Gesellschaft treiben ihn besonders die Umweltprobleme um. „Wenn ich mit meinem Labrador Leo spazieren gehe, erschrecke ich manchmal, wie viel Müll produziert und achtlos in die Natur geschmissen wird“, erzählt er. „Wie kann das sein?“ Reportagen über die Vermüllung der Weltmeere könne er sich gar nicht mehr angucken. „Es tut einfach weh.“ Jeder sollte für sich persönlich überlegen, was er tun könne, meint Feuerstein – und sich nicht nur auf die Politik verlassen.

Vom nächsten Bundeskanzler oder der nächsten Kanzlerin erwartet er, dass er oder sie „einer von uns“ ist. Den Bürgern dieses Gefühl zu vermitteln, das sei besonders wichtig. „Der oder die Neue muss ein Teil der Gesellschaft sein, nicht einer abgehobenen Kaste“, sagt er. Egal, ob nun Armin Laschet, Olaf Scholz oder Annalena Baerbock das Rennen macht. „Sie müssen authentisch sein. Echt. Wahrhaftig. Kanzler kann niemand werden, von dem die Menschen das Gefühl haben: Der lügt uns die Taschen voll.“