Corona-Leugner feiern Idar-Obersteiner Todesschützen

Ein Polizist sichert am frühen Morgen eine Tankstelle. Ein Angestellter der Tankstelle war in Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz von einem mit einer Pistole bewaffneten Mann erschossen worden. Foto: Christian Schulz/Foto Hosser/dpa

Nach dem tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter durch einen Maskengegner wächst die Furcht vor einer weiteren Radikalisierung der Querdenker-Szene.

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IDAR-OBERSTEIN. Nach dem tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im Streit um die Maskenpflicht gehen die Ermittler von langwierigen Ermittlungen zu den Hintergründen aus. "Wir müssen uns jetzt erst mal selbst ein klares Bild machen", sagte Oberstaatsanwalt Kai Fuhrmann. Dies werde noch einige Wochen dauern. Fuhrmann: "Die Feinarbeit der Ermittlungen geht jetzt erst so richtig los."

Ein 49-Jähriger, der an der Tankstelle Bier kaufen wollte, soll dem 20 Jahre alten Verkäufer am Samstagabend in den Kopf geschossen haben - nachdem der junge Mann ihn zweimal auf die coronabedingte Maskenpflicht hingewiesen hatte. Der Schütze hat die Tat gestanden, der deutsche Staatsangehörige sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich Täter und Opfer gekannt hatten.

Die Tat löste bundesweit großes Entsetzen und Anteilnahme aus. "Die Radikalisierung des Querdenkermilieus bereitet mir große Sorgen", schrieb die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock auf Twitter. "Es erschüttert mich sehr, dass jemand getötet wird, weil er sich und andere schützen wollte", betonte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet positionierte sich mit scharfen Worten gegen die sogenannte Querdenker-Bewegung: "Dieser Hass in unserer Gesellschaft muss ein Ende haben." Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zeigte sich entsetzt über zustimmende Reaktionen nach der Bluttat. "Es ist empörend und widerlich, wenn die furchtbare Bluttat von Idar-Oberstein nun im Netz für noch mehr Hass und noch mehr Menschenverachtung missbraucht wird. Der Radikalisierung von gewaltbereiten Corona-Leugnern muss sich unser Rechtsstaat mit allen Mitteln entgegenstellen." In sozialen Netzwerken war der Täter teilweise für seinen Widerstand gegen die Corona-Auflagen gefeiert worden.

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Täter"bewandert" in den Theorien der Corona-Leugner

Mehr Klarheit über die Hintergründe der Tat erhoffen sich die Ermittler vor allem von der Auswertung der sichergestellten elektronischen Geräte des 49 Jahre alten Mannes. Er lebte zuletzt in Idar-Oberstein und war als Selbstständiger in der IT-Branche tätig. Der Mann sei in den Theorien der Corona-Leugner "bewandert", hieß es aus Ermittlerkreisen. Der bislang polizeilich nicht in Erscheinung getretene Mann aus Idar-Oberstein hatte den Ermittlern gesagt, dass er die Corona-Maßnahmen ablehne. Zum Motiv habe er angegeben, dass ihn die Situation der Corona-Pandemie stark belaste und er keinen anderen Ausweg gesehen habe, als ein Zeichen zu setzen. Der Mann sei noch nie irgendwo bei der Polizei aufgefallen, auch nicht als Teilnehmer einer Demonstration, sagte Oberstaatsanwalt Fuhrmann. "Die Waffen hat er nicht legal besessen." Woher sie stammten, sei noch völlig unklar.

Von Jan Brinkhus, Ira Schaible und Birgit Reichert