Das RKI hat seine Risikobewertung in der Pandemie hochgestuft - sowohl für Ungeimpfte als auch für Geimpfte. Auch von der WHO kommen warnende Worte.
DEUTSCHLAND. Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht in der Corona-Pandemie eine gestiegene Gesundheitsgefahr für die Menschen in Deutschland. Für unvollständig oder nicht Geimpfte änderte das Institut die Risikobewertung von "hoch" auf "sehr hoch", wie aus dem Wochenbericht des Instituts von Donnerstagabend hervorgeht. "Für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat, aber aufgrund der steigenden Infektionszahlen ansteigend eingeschätzt", hieß es. Noch vor einer Woche war das Risiko für Geimpfte im Bericht lediglich als "moderat" beschrieben worden.
Impfquote von 85 Prozent bei über 60-Jährigen
Das RKI betont allerdings weiter, dass alle hierzulande verfügbaren Impfstoffe "nach derzeitigem Erkenntnisstand bei vollständiger Impfung wirksam vor einer schweren Erkrankung" schützten. Unter den gemeldeten Fällen - also bei den positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Menschen - sei jedoch der Anteil vollständig Geimpfter in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Er liege mittlerweile in der Altersgruppe der Menschen ab 60 bei über 60 Prozent. "Dieser Anteil muss jedoch in Zusammenschau mit der erreichten hohen Impfquote in dieser Altersgruppe interpretiert werden", hieß es - laut Statistik sind es über 85 Prozent.
Die aktuelle Entwicklung der Lage sei "sehr besorgniserregend", schreibt das RKI. Wenn Maßnahmen wie Masken, Abstand, Verringern von Kontakten und Lüften nicht rasch die Zahl der Ansteckungen senkten, sei eine weitere Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle zu befürchten. Auch könnten in diesem Fall laut Bericht die Behandlungskapazitäten der Intensivstationen überschritten werden.
In den vergangenen Wochen sei es bereits zu einem deutlichen Anstieg bei der Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen gekommen. Vom 27. Oktober bis 3. November seien fast 460 Erkrankte hinzugekommen. Laut Divi-Intensivregister vom Donnerstag sind nun insgesamt 2332 Betroffene in Behandlung. Das höchste Risiko für eine Krankenhauseinweisung habe nach wie vor die Altersgruppe der über 80-Jährigen, geht aus dem Bericht hervor.
Insbesondere bei Kindern ab fünf Jahren und Jugendlichen verzeichnet das RKI weiter sehr hohe Sieben-Tage-Inzidenzen - Impfungen sind bisher erst ab 12 Jahren möglich. Werte von mehr als 250 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche würden in 65 Landkreisen verzeichnet.
Auch andere Krankheitserreger müssen ausgebremst werden
Das RKI schreibt, auch für Geimpfte und Genesene sei es wegen des hohen Infektionsdrucks wichtig, die Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckungen einzuhalten - "auch bei Veranstaltungen oder Treffen unter 3G- und 2G-Bedingungen!" Es gehe auch darum, andere Krankheitserreger auszubremsen.
Das RKI nimmt wegen der erfassten Rate akuter Atemwegsinfektionen in Deutschland an, dass Kontakte, bei denen die Erreger übertragen werden, wieder so häufig vorkommen wie in den zwei Wintern vor der Pandemie. "Dies unterscheidet sich deutlich vom gleichen Zeitraum 2020", hieß es.
Auch die WHO warnt
Angesichts der alarmierend steigenden Corona-Infektionszahlen in vielen europäischen Ländern hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Kurskorrekturen angemahnt. "Im Moment scheinen wir versessen darauf zu setzen, dass (....) wir nur noch ein paar Leute impfen müssen und dann ist alles vorbei. Das ist aber nicht der Fall", warnte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan am Donnerstag in Genf. "Um den Kurs zu halten, muss man auch manchmal den Kurs ändern.". Dazu gehöre, sämtliche Schutzmaßnahmen wie Maske tragen und Abstand halten rigoros umzusetzen, aber womöglich auch das Testen auszuweiten. Ryan nannte kein Land beim Namen.
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"Dies ist ein Warnschuss für die ganze Welt, was in Europa trotz der Verfügbarkeit von Impfungen geschieht", sagte Ryan. Er verstehe, dass Regierungen die Bevölkerung nicht enttäuschen wollten, und dass jeder Schritt zurück zu schärferen Maßnahmen wie ein Rückschritt wirke. Aber jedes Land müsse seine Corona-Pläne nun genau überprüfen, um sicherzustellen, dass die Gesundheitssysteme in den nächsten Monaten nicht an die Belastbarkeitsgrenze kommen.
Von dpa