Seit heute gilt in ganz Deutschland das 9-Euro-Ticket für den Regionalverkehr. Lohnt sich das? Welche Regeln gibt es? Das müssen Sie rund um die günstige Fahrkarte wissen.
FRANKFURT. Es geht los: Mit dem 9-Euro-Ticket startet an diesem Mittwoch, 1. Juni, das größte Experiment im Öffentlichen Nahverkehr seit Jahrzehnten. Der Vorverkauf läuft auf Hochtouren, Verkehrsunternehmen bereiten sich in den kommenden drei Monaten auf einen zeitweisen Ansturm vor. Denn das Kontingent ist nicht begrenzt. Doch was müssen Fahrgäste beachten?
Wie laufen die Vorbereitungen? „Wir setzen buchstäblich alles in Bewegung, was wir haben – Züge, Busse, Servicekräfte“, berichtet der Vorstandsvorsitzende der DB Regio, Jörg Sandvoß, in Berlin. Für die zu erwartende steigende Zahl von Fahrgästen vom 1. Juni an lässt die Deutsche Bahn im Regionalverkehr mehr als 50 zusätzliche Züge rollen. Das tägliche Angebot wird bundesweit um etwa 60.000 zusätzliche Sitzplätze in den Regional- und S-Bahnzügen aufgestockt. Zum Vergleich: DB Regio hat im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Fahrgäste gezählt. Das sind etwa 125 Millionen im Monat. Und das Jahr 2021 war noch von der Pandemie geprägt, die zu einer geringeren Nutzung der Bahn führte.
Am Mittwoch, 1. Juni, berichten wir den Tag über zum Start des 9-Euro-Tickets - und sind vor Ort an den Bahnhöfen.
Wie viele Fahrgäste werden das 9-Euro-Ticket kaufen und nutzen? Der Verkauf läuft ausgesprochen gut. Die Bahn hat bereits 2,7 Millionen Tickets verkauft. Das sagt Vorstandschef Richard Lutz. „Das zeigt, dass das 9-Euro-Ticket ein wirklicher Renner ist.“ Wie viele der Käufer dann wie häufig die Reise antreten, ist allerdings völlig ungewiss. Die Verkehrsbetriebe wagen jedenfalls keine detaillierte Prognose. Ausflüge hängen schließlich auch vom Wetter ab. Der Verband der Verkehrsunternehmen geht von 30 Millionen Ticket-Nutzern im Monat aus.
Wo gilt das 9-Euro-Ticket? Fahren kann jeder deutschlandweit in allen Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen sowie in der 2. Klasse in S-Bahnen und Zügen des Nah- und Regionalverkehrs. Das Ticket gilt dagegen nicht im Fernverkehr mit ICE, Intercity und Eurocity, den grünen Flixzügen und Fernbussen.
Auf welchen Strecken wird es eng? „Wir erwarten besonders im Freizeitverkehr im Rheingau, an der Lahn oder im Odenwald mehr Verkehr“, erläutert ein Sprecher des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) in Hofheim. Die Bahn rechnet in der Region auf der Rheinschiene, in der Pfalz, an der Mosel oder ins Elsass mit mehr Fahrgästen.
Wann wird mit besonders großer Nachfrage gerechnet? Die Pfingstfeiertage werden der erste Stresstest für den Nahverkehr. Wenn das Wetter mitspielt, werden viele Familien zu touristischen Zielen aufbrechen. Auch am Fronleichnam-Wochenende Mitte Juni wird mit extrem vielen Fahrgästen gerechnet.
Wann sollten Fahrgäste fahren? Da Kapazitäten nur bedingt ausgeweitet werden können und die Möglichkeit der Fahrradmitnahme begrenzt ist, empfiehlt der RMV, am Wochenende und an den Feiertagen Hinfahrten frühmorgens und Rückfahrten am späten Abend anzutreten.
Ist das 9-Euro-Ticket auch für Berufspendler attraktiv? Im Ballungsraum rund um die Großstädte Frankfurt, Mainz, Wiesbaden und Darmstadt ist das Angebot im Nahverkehr tagsüber mit vergleichsweise dichten Takten und engen Streckennetz durchaus attraktiv. In den ländlichen Regionen ist das Streckenangebot allerdings in der Regel zu lückenhaft, um für Berufspendler dauerhaft infrage zu kommen.
Können die Kapazitäten flächendeckend erweitert werden? Auf Strecken wie der Rheingau-Linie biete der Rhein-Main-Verkehrsverbund bereits am Wochenende und feiertags im Sommer regulär einen dichteren Takt, heißt es im RMV. „Die Möglichkeiten von weiteren zusätzlichen Fahrplan- oder Kapazitätsausweitungen sind jedoch leider begrenzt, da während der Gültigkeit des 9-Euro-Tickets Fahrzeuge, Personal und Infrastruktur nicht temporär mehr werden.“ Der Rhein-Nahe-Verkehrsverbund sieht ebenfalls wenig Spielraum für eine kurzfristige Erhöhung des Angebots. Neben dem Personalmangel bremse auch die lückenhafte Infrastruktur, da auf vielen Strecken Gleise für zusätzliche Züge fehlen.
Wird das Personal verstärkt? Die Bahn will entlang touristischer Strecken mehr Personal in Zügen und Bahnhöfen einsetzen. Bundesweit sollen 700 zusätzliche Service- und Sicherheitskräfte den Ein- und Ausstieg koordinieren, Reisende mit Gepäck oder Fahrrädern unterstützen und Auskünfte geben. „Das sind viermal so viele wie in einem normalen Sommer. DB will zudem die Wartung und Reinigung von Zügen in den Werken und durch mobile Instandhaltungsteams verstärken. „Egal was passiert, insbesondere die Kundenbetreuer im Nahverkehr vor Ort sind das Gesicht der Bahn, die Experten, Ansprechpartner, Kümmerer, aber leider auch die Blitzableiter bei möglichem Frust der Fahrgäste bei überfüllten Zügen“, wirbt der Gesamtbetriebsrat DB Regio um mehr Personal. „Lassen Sie ihren Frust nicht an den Bahn-Mitarbeitern aus“, appelliert laut dpa Martin Burkert, Vize-Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG.
Lohnt eine Urlaubsfahrt? Da der Nahverkehr öfter hält, ist Geduld gefragt. Wer beispielsweise von Wiesbaden nach Norddeich an die Nordsee fahren will, muss vier Mal umsteigen und 9.36 Stunden einplanen. Wenn alles mit dem Umsteigen klappt. Aufgepasst: Auf der letzten Strecke von Emden nach Norddeich gelten einige Regio-Züge als Fernverkehr und dürfen nicht mit dem 9-Euro-Ticket genutzt werden.
Gibt es Alternativen? Zu prüfen wäre, ob nicht das Super-Sparpreis-Ticket der Bahn infrage kommt. Es kostet für die einfache Fahrt je nach Verfügbarkeit ab 17,90 Euro in der 2. Klasse und ab 26,90 Euro in der 1. Klasse. Großer Vorteil: Es gilt auch im Fernverkehr.
Was sind lohnende Ziele? Der regionale Zugbetreiber Vlexx wirbt beispielsweise mit einem Trip nach Frankreich: Die Ausflugszüge mit dem Elsass-Express sind bereits in die Saison gestartet. Fahrgäste können ohne Umstieg von Mainz direkt ins Elsass in Frankreich fahren. Los geht es um 8.33 Uhr in Mainz über Neustadt an der Weinstraße nach Wissembourg, das um 11.27 Uhr erreicht wird. „Entlang einiger der schönsten Bahnstrecken Deutschlands, wie durch das romantische Mittelrheintal oder entlang der Deutschen Weinstraße, bringen die vlexx-Züge Fahrgäste zu vielen sehenswerten Zielen.“
Alle Infos rund um das neue 9-Euro-Ticket finden Sie in unserem Dossier.
Was ist mit Fahrrädern? Im RMV ist Fahrradmitnahme für alle Fahrgäste kostenlos. Außerhalb des RMV gelten die Regelungen der jeweiligen Region. Die Radmitnahme setzt dort oft eine Fahrradkarte voraus. Ob alle Räder zu jeder Zeit Platz finden, ist offen. „Ein Maximum an verfügbaren Zügen markiert letztlich eine Grenze. Vor allem die Mitnahme von Fahrrädern kann nicht immer garantiert werden“, betont DB-Regio-Chef Jörg Sandvoß.
Wird die Arbeit auf Baustellen vorübergehend eingestellt? Nein, die Bahn will die Erneuerung des Schienennetzes im Sommer ungebremst vorantreiben. „Diese Arbeiten bringen teilweise längere Fahrzeiten mit sich“, heißt es.