Polizistenmord bei Kusel: Angeklagter bricht sein Schweigen

Der Angeklagte vor Gericht in Kaiserslautern. Foto: Sascha Kopp

Der Hauptangeklagte im Prozess um die Polizistenmorde bei Kusel hat erneut seinen Mitangeklagten belastet - und selbst tödliche Schüsse eingeräumt. Hatte er Schüsse angekündigt?

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KAISERSLAUTERN. Immer wieder stockt Andreas S. die Stimme. Tränenerstickt presst er einzelne Sätze heraus, wenn er versucht, den Zuhörer das Unbegreifliche begreifbar zu machen. Etwa als er von der toten Polizeianwärterin spricht, die auf der Suche nach seinen Ausweispapieren im Lichtkegel seiner Taschenlampe aufgetaucht ist. Oder als er von dem Moment berichtet, nachdem nach seinem letzten Schuss plötzlich alles ganz ruhig ist. Andreas S. steht als Angeklagter vor dem Landgericht Kaiserslautern, weil er verdächtigt wird, Anfang des Jahres zwei Polizisten nahe der rheinland-pfälzischen Stadt Kusel erschossen zu haben. Nachdem Andreas S. jedwede eigene Aussage bislang verweigert hat, hat er nun am Dienstag erstmals sein Schweigen gebrochen. Und erneut seinen Komplizen Florian V. beschuldigt, das Feuer auf die beiden Polizisten eröffnet zu haben.

Tathergang aus Sicht des Angeklagten

In seiner Version des Tathergangs schildert Andreas S., dass er gemeinsam beim nächtlichen illegalen Wildern mit Florian V. in eine Polizeikontrolle geraten war. Völlig unvorbereitet. Der unter starkem Drogeneinfluss stehende Florian V. sei zu diesem Zeitpunkt im Wald gewesen, ein erlegtes Wildschwein einsammeln. Nachdem Andreas V. den Beamten seinen Personalausweis ausgehändigt habe, habe er sich zum Handschuhfach gebeugt, die Fahrzeugpapiere suchen. Plötzliche wurde das Feuer eröffnet. Andreas S. sagte: „Es hat wumm, wumm gemacht, ich war total perplex.“

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Kurz darauf sei jemand vor der Windschutzscheibe seines Autos aufgetaucht und haben auf ihn geschossen. Wer das war, habe Andreas S. nicht erkennen können. Er sagte: „Es hat nur geblitzt.“ Eine Fensterscheibe wurde durchschossen. In dieser unübersichtlichen Lage habe sich Andreas S. über die Beifahrertür auf seinem Auto gerettet und seine eigene Waffe geladen. „Ich habe immer wieder gerufen: hör auf, hör auf. Aber die Schüsse haben nicht aufgehört.“ Dreimal habe er aus Selbstschutz dann in Richtung des Feuers Schüsse abgesetzt, erzählte der Angeklagte. Dreimal habe er getroffen. „Es gab einen patschenden Knall. Vom Geräusch nach ging der erste Schuss in den Bauch.“

Angeklagter beklagt Behandlung im Gefängnis

Erst als dann Ruhe einkehrte, habe Andreas S. registriert, wen er gerade erschossen habe. „Das ist ja ein Polizist, habe ich gesehen, da sind mir alle Sicherung durchgeknallt.“ Als er anschließend das Auto wendete, um vom Tatort zu fliehen, habe er Florian V. zu sich gerufen, damit er einsteigt. „Der hat aber überhaupt nicht reagiert, stand einfach nur herum.“ Dann folgte der letzte Schuss. Florian V. soll es gewesen sein, der der am Boden liegenden jungen Polizeianwärterin den finalen tödlichen Schuss verpasste hatte.

Diese Aussagen decken sich weitestgehend mit der Einlassung von Andreas S. vom ersten Prozesstag. Unterschied: Andreas S. hatte seine Stellungnahme damals von seinem Verteidiger verlesen lassen. Auf die Frage, wieso er nun selbst rede, ließ Andreas S. über seinen Verteidiger am Dienstag mitteilen, dass er aufgrund der medialen Vorverurteilung nicht mit einem fairen Prozess gerechnet habe. Diese Zweifel seien aber inzwischen verflogen. Andreas S. beklagte außerdem, dass ihm nach seiner Inhaftierung im Gefängnis vonseiten der staatlichen Gewalt Dinge angetan wurden, „die hätte ich in dieser Form in einem Rechtsstaat nicht erwartet“.

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Während Andreas S. spricht, sitzt Florian V. nur vier Plätze neben ihm, blickt die meiste Zeit mit müden Augen aus dem Fenster. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters teilte Christian Kessler, der Strafverteidiger Florian V., mit, dass sich sein Mandat am Ende des Prozesses ebenfalls den Fragen des Gerichts stellen wird. „Wenn nach der Beweisaufnahme überhaupt noch Fragen offen sind“, wie Kessler ausführte. Bislang geht die Staatsanwaltschaft nach den Ermittlungen und der Zeugenaussage von Florian V. davon aus, dass Andreas S. allein für den Tod der beiden Polizisten verantwortlich ist. Florian V. ist hingegen angeklagt, weil er Andreas S. anschließend dabei unterstützt haben soll, dien Spuren zu verwischen.

Wie aus Recherchen des Nachrichtenmagazins „Stern“ hervorgeht, sollen in den Ermittlungsakten Zeugenaussagen vorliegen, die besagen, dass Andreas S. in der Vergangenheit mehrfach gegenüber Dritten angekündigt habe, zu schießen, falls er beim Wildern ertappt werde.