Boris Schommers kam im September zum 1. FC Kaiserslautern, hat seitdem 16 Punkte gesammelt. Viel mehr ist über den 40-Jährigen aber nicht bekannt. Eric Scherer hat den...
KAISERSLAUTERN. „Du musst immer offen bleiben für Innovationen“ – Im Gespräch mit Boris Schommers, Teil I Er kam, sah und siegte – das mag für Julius Caesar gegolten haben. Im Fußball allerdings läuft es doch ein wenig anders als auf römischen Schlachtfeldern, auch wenn Trainer oft und gerne mit Feldherrn verglichen werden. Boris Schommers kam im September 2019 zum FCK und brauchte sechs Wochen, um seine neue Mannschaft zu einem funktionierenden Ganzen zu formen. Seither hat er sich nicht nur durch 16 Punkte in sechs Spielen Anerkennung erworben, mit denen seine Team seinen Anhang in die Winterpause verabschiedete. Auch abseits des Fußballfeldes versteht er, sich zu profilieren, wie etwa seine Rede im Rahmen der Mitgliederversammlung im Dezember zeigte. Ansonsten ist bislang allerdings nur wenig über den 40-Jährigen bekannt. Unser ausführliches, zweiteiliges Interview soll helfen, diese Lücken zu schließen.
Herr Schommers, den spärlichen biografischen Daten zufolge, die man im Internet über Sie findet, begann Ihr Leben mit dem Fußball direkt im Trainerbereich: 2006, im Nachwuchsleistungszentrum des 1.FC Köln, damals waren Sie 27 Jahre alt. Waren Sie nie aktiver Fußballer? Doch, ich habe im Junioren- und im Amateurbereich gekickt, im Bergischen Land, aber das ist nicht der Rede wert. Interessant wurde es erst, als ich nach Köln ging, um an der Deutschen Sporthochschule Sport, Ökonomie und Management zu studieren. Da entschloss ich mich, gleichzeitig alle Trainerlizenzen zu machen, um so breit wie möglich aufgestellt zu sein. Also fing ich 2006 im Kölner NLZ an. 2011 wurde ich Cheftrainer der U17 – und direkt Deutscher Meister. Im Jahr darauf Vize-Meister. Anschließend wurde ich U19-Trainer, dort lief es ebenfalls gut für mich. 2017 wollte ich den nächsten Schritt machen, aber die Vereinsführung wollte den Trainerposten der U21 anderweitig besetzen. Also habe ich mich neu orientiert.
Ihren Fußballlehrer haben Sie 2015 gemacht, im gleichen Jahrgang wie Marco Rose, Florian Kohfeldt, Torsten Frings, Rüdiger Rehm und Ihrem Vorgänger beim FCK, Sascha Hildmann. Der sagte mir mal, das sei vom Notendurchschnitt der beste Jahrgang ever, den die Hennes Weisweiler-Akademie bislang hervorgebracht hat... Ist das so? Ich weiß noch, dass Florian Kohfeldt unser Jahrgangsbester war, ich selbst hatte einen Notendurchschnitt von 1,7… Für mich war das einfach der nächste logische Schritt. Gerade, weil ich keine 15 Jahre als Fußballprofi vorweisen kann, wollte ich mir alles von unten nach oben erarbeiten. Und die Fußballlehrerlizenz war die letzte, die mir noch fehlte.
2017, mit 38 Jahren, hatten Sie bereits sechs Jahre als Cheftrainer im Juniorenbereich hinter sich. Dennoch war das erste, dass Sie in Kaiserslautern zu hören bekamen, dass Sie ja noch kaum Berufserfahrung haben. Ähnliches wurde auch Ihrem Kollege Julian Nagelsmann nachgesagt, als er mit 28 Jahren Cheftrainer bei der TSG Hoffenheim wurde. Dabei war auch er zuvor schon fünf Jahre Cheftrainer im Juniorenbereich. Mein Kollege Tobias Escher hat Nagelsmann mal porträtiert. Dabei stellt er die These auf, dass ein Trainerposten im Juniorenbereich viel mehr Möglichkeiten bietet zu reifen, als irgendwo Assistent im Seniorenbereich zu sein: Weil man mit Spielern arbeiten kann, die körperlich bereits nah am Profilevel, aber noch wesentlich formbarer und lernwilliger als gestandene Profis sind. So kann ein Trainer viel mehr experimentieren und für sich selbst erkennen. Würden Sie das unterschreiben? Auf jeden Fall. Du hast in dieser Zeit sehr viel mehr Möglichkeiten, auf Spieler einzugehen und in ihre Ausbildung einzugreifen und dabei kannst auch selbst reifen. Hinzu kommt: Als NLZ-Trainer hast du ja im Grunde nur wenige Helfer zur Verfügung. Du musst dir vieles selbst erarbeiten, etwa, was Trainingslehre und -steuerung angeht, und lernst dabei entsprechend viel. Später, im Profibereich, erledigst du das alles ja in Teamarbeit.
Haben Sie aus dieser Zeit Erkenntnisse mitgenommen, die Ihre Sicht auf den Fußball bis heute prägen? Ja, zum Beispiel, dass sich jeder Spieler, egal in welchem Alter, immer noch weiter verbessern kann, ja sogar muss. Es darf nie zu einem Stillstand kommen. Du musst immer offen sein für Innovationen, das gilt für Spieler wie für Trainer. Und: Maße dir niemals an, alles zu können, schaue immer auch über den Tellerrand. Von großen Kollegen kann man sich immer was abschauen.
Ist die Idee, wie Sie Fußball spielen lassen wollen, auch damals schon entstanden? Gab oder gibt es fußballerische Ideale, denen Sie nacheifern? Also, ein ganz konkretes Vorbild habe ich nicht. Aber ich schaue natürlich auch anderen Fußball – und genau hin, was und wie andere Trainer so spielen lassen. Zurzeit reden alle ja über Jürgen Klopp. Natürlich ist es faszinierend, wie seine Mannschaft es schafft, in den nationalen und internationalen Wettbewerben quasi alle drei Tage ein Pressing aufzuziehen, das den Gegner in jeder Spielsituation unter Druck bringt. Bislang hieß es, das kann eine Mannschaft physisch doch gar nicht leisten, doch wieso kann es denn der FC Liverpool nun? Als Trainer einer eigenen Mannschaft haben für dich allerdings andere Fragen Priorität: Was kann ich in der augenblicklichen Situationen mit dem Kader erreichen, der mir zur Verfügung steht? Unter diesem Aspekt lässt sich eben nicht so Weiteres ein großes Vorbild kopieren.
2017 wechselten Sie als Co-Trainer von Michael Köllner zum Zweitligisten 1. FC Nürnberg. Im anschließenden Spieljahr, das mit dem Aufstieg in die Erste Bundesliga endete, fiel der FCN durch einen kultivierten Fußball auf, der für die Zweite Liga eher untypisch ist. Gegen geordnet stehende Gegner etwa wurde der Ball mit kurzen Pässen ins Angriffsdrittel getragen und nicht übers sogenannte Spiel auf den zweiten Ball. Beim FCK propagieren Sie nun eine ähnliche Spielweise. Sind Sie deswegen nach Nürnberg gegangen – weil Sie und Michael Köllner die gleiche Auffassung von Fußball hatten? Michael Köllner sagte mir, dass er einen Assistenten wolle, der ihm nicht nur nach dem Munde redet, sondern der mit ihm konstruktiv über Fußball diskutieren kann und der auch eigene Ideen einbringt. Dass er mir diese Rolle zutraute, zeigte mir, wie sehr er meine bisherige Arbeit schätzte. Wir haben dann auch nicht alles immer gleich gesehen, aber auf einer Wellenlänge gefunkt und stets einen Konsens gefunden. Der Cheftrainer hat immer das letzte Wort. Und was den Anspruch angeht, den Ball auf dem spielerischen Weg nach vorne zu tragen: Der ergibt sich für mich schlicht und ergreifend aus Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Wenn du jeden Ball nur auf einen Zielspieler knallst, der in der Regel gegen die zwei größten und robustesten Spieler des Gegners spielt, die Innenverteidiger nämlich, dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass du zum Torabschluss kommst. Wenn aber du das Spiel nach vorne aber übers mittlere Drittel spielerisch vorbereitetest, ist die Wahrscheinlichkeit höher, zu Torabschlüssen zu bekommen. Das lässt sich durch Analysen belegen.
In der anschließenden Bundesligasaison lief es beim FCN nicht so gut, Michael Köllner wurde entlassen, Sie übernahmen die Mannschaft am 21. Spieltag, als abgeschlagener Tabellenletzter. Ihre erste Gelegenheit, sich als Cheftrainer im Seniorenbereich zu profilieren, doch die Chance, Sie erfolgreich meistern zu können, war äußerst gering – das muss Ihnen klar gewesen sein. Wie motiviert man sich da selbst, wie die Mannschaft? Zunächst einmal kam das alles sehr unerwartet, denn bis dato hatte die Vereinsführung stets betont, voll hinter dem Trainer zu stehen. Als ich gebeten wurde, die Mannschaft zu übernehmen, stand vier Tage später das Liga-Spiel gegen den aktuellen Tabellenführer an, Borussia Dortmund. Und wenn Sie dann raus ins Stadion gehen, das erste Mal als hauptverantwortlicher Trainer am Spielfeldrand stehen, vor 50.000 Zuschauern, dann haben Sie mit Ihrer persönlichen Motivation keine Probleme, das können Sie mir glauben. Wir haben dann gegen diese tolle Dortmunder Truppe 0:0 gespielt, und mir wurde bewusst, dass wenn wir das, was uns als Team noch fehlte, jetzt schneller hinbekommen, als wir es bis dato geschafft hatten, dann können wir auch Qualität nach vorne entwickeln.
Wenn man sich die anschließenden Ergebnisse näher anschaut, dann stellt man fest: Es hat zwar nicht gereicht, aber es waren einige ganz knappen Geschichten darunter. Und ob. Wir haben in diesem letzten Saisonabschnitt allein vier Elfmeter verschossen – wenn die alle drin gewesen wären, hätte es am Ende anders aussehen können. Beim direkten Abstiegskonkurrenten VfB Stuttgart haben wir am 28. Spieltag 1:0, geführt, dann den Ausgleich kassiert, in der Nachspielzeit jedoch nochmal zwei Großchancen liegen gelassen, wären wir mit einem Sieg nach Hause gefahren, wäre da nochmal was in Bewegung geraten. Gegen den FC Bayern haben wir am 31. Spieltag 1:1 gespielt, da hat Tim Leibold noch in der 92. Minute einen Strafstoß verschossen – es wäre das erste Mal seit 2007 gewesen, dass der FCN die Bayern schlägt. Rechnerisch abgestiegen sind wir übrigens erst am 33. Spieltag. Wir haben also am Klassenverbleib zumindest noch geknabbert.
Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie in den kommenden Tagen unter www.blogvierzwei.de