Der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern Merck plant am Stammsitz Darmstadt einen Abbau von Hunderten Stellen – will aber insgesamt bis 2025 wachsen.
Darmstadt. Beim Pharma- und Technologiekonzern Merck droht der Abbau von hunderten Arbeitsplätzen am Stammsitz Darmstadt. Mit dem Betriebsrat werde über ein Effizienzprogramm gesprochen, berichtete eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage in Darmstadt. Die Zahl der betroffenen Stellen könne noch nicht genannt werden, da Vertraulichkeit vereinbart worden sei. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) hatte zuvor darüber berichtet.
Merck-Pläne für Stellenabbau: Gruppenfunktionen und Pharmasparte
Demnach sollen Hunderte Stellen in Darmstadt gestrichen werden. Dabei gehe es zum einen um sogenannte Gruppenfunktionen, erklärte die Sprecherin gegenüber der VRM - also zentrale Einheiten. Dazu zählen zum Beispiel Bereiche wie Einkauf und Recht oder Kommunikation.
Daneben gehe es bei einem davon getrennten Abbauprogramm um die Abteilung Forschung und Entwicklung im Bereich Healthcare (Pharma). Die Merck-Sprecherin bestätigte der VRM den geplanten Abbau von 250 Arbeitsplätzen in dieser Sparte. Dieser Geschäftsbereich in Deutschland umfasst verschreibungspflichtige Medikamente unter anderem für Krebs-, Herz- und Kreislauferkrankungen. Im Januar hatte Merck bereits einen Stellenabbau in der US-Pharmasparte angekündigt.
Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2025 ausgeschlossen
Merck beschäftigt derzeit an seinem Stammsitz rund 12.500 Menschen. Betriebsbedingte Kündigungen sind in Darmstadt durch eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2025 ausgeschlossen. Dies dürfte also bedeuten, dass der Stellenabbau mithilfe von Abfindungsregelungen umgesetzt werden muss, wenn es keine Öffnungsklausel geben sollte. Im Geschäftsbericht 2022 berichtet der Vorstand unter der Rubrik „Ereignisse nach dem Bilanzstichtag“, dass mit dem Betriebsrat Gespräche über ein „Programm zur stetigen Verbesserung der Prozesse und zur geschäftsnäheren Ausrichtung der Konzernfunktionen“ laufen. Die Umsetzung des Effizienzprogramms, welches im Jahr 2023 beginnen solle, werde „voraussichtlich zu einer Belastung des Ergebnisses vor Steuern in Höhe eines niedrigen dreistelligen Millionen-Eurobetrags“ führen. Das deutet auf ein Abfindungsprogramm hin.
Die jetzt bekannt gewordenen Merck-Pläne kommen nach den jüngsten Verlautbarungen aus Darmstadt überraschend, denn kürzlich hatte der Konzern noch eine gegenteilige Entwicklung angekündigt. So hatte Merck-Chefin Belén Garijo am 2. März bei der Bilanzpressekonferenz mitgeteilt, dass am Standort Darmstadt bis 2025 mehr als 600 neue Stellen geschaffen werden sollen. Dies würde ein Plus von knapp fünf Prozent gegenüber der bisherigen Mitarbeiterzahl am Stammsitz bedeuten. Zudem kündigte Merck bei der Pressekonferenz ein Investitionsprogramm von 1,5 Milliarden Euro bis 2025 in Darmstadt an, darunter auch 200 Millionen Euro für das neue Pharma-Forschungszentrum, das dann Platz für mehr als 500 Wissenschaftler bieten soll.
Das heißt insgesamt also: Zunächst fallen in einigen Abteilungen Stellen weg, der Abbau soll dann aber durch den Aufbau in anderen Abteilungen quasi überkompensiert werden. Bereits im November hatte Merck angekündigt, bei der Entwicklung neuer Medikamente schneller werden zu wollen. Das Ziel sei eine Verdoppelung der Produktivität in der Forschung und Entwicklung, erklärte der Dax-Konzern. Dabei sollen auch Kooperationen mit anderen Unternehmen Rückenwind liefern. So will Merck verstärkt mit Partnern zusammen Medikamente entwickeln und Wirkstoffe „einlizenzieren“. Etwa die Hälfte der Produkte sollen künftig aus dieser Quelle kommen.
Merck rechnet mit Kostendruck
Weltweit hat der Pharma- und Technologiekonzern etwa 64.000 Mitarbeiter. Merck hat im vergangenen Jahr mit den drei Sparten Healthcare (Pharma), Life Science (Laborchemie) und Electronics (Spezialchemie und Halbleiter) den Umsatz um 12,9 Prozent auf insgesamt 22,23 Milliarden Euro gesteigert. Das Wachstum sei von allen Regionen und Unternehmensbereichen, insbesondere aber von Life Science getragen worden, hieß es. Der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) legte um 12,2 Prozent auf 6,85 Milliarden Euro zu. Für das laufende Jahr rechnet Merck jedoch mit neuerlichem Kostendruck.