Aldi und Lidl wollen konventionelle Trinkmilch aussortieren

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Aldi und Lidl wollen von 2024 an nur noch Trinkmilch von Kühen verkaufen, die zumindest zeitweise Zugang zu frischer Luft haben.
© Sarbach/dpa

Zwei der führenden Discounter preschen vor und kündigen die Sortimentsumstellung an, um Produkte aus besserer Tierhaltung zu fördern. Was bedeutet das in der Praxis?

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Wiesbaden. Die Discounter Aldi und Lidl wollen vom Jahr 2024 an nur noch Milch von Kühen verkaufen, bei denen die höheren Haltungsformen mit Außenklima und Auslauf berücksichtigt werden. Höhere Standards seien aber auch mit höheren Kosten verbunden, berichtet Aldi Süd. „Das hat Auswirkungen auf den Verkaufspreis.“ Doch Nachhaltigkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis würden sich nicht ausschließen.

„Die Kennzeichnung ist eine gute Hilfestellung für die Auswahl von Milch-Produkten aus verbesserter Tierhaltung“, begrüßt die Verbraucherzentrale Bundesverband die Umstellung des Sortiments. Das garantiere aber noch nicht, dass es den Tieren wirklich besser geht. Die Kennzeichnung bewerte vor allem Haltungsbedingungen wie den Platz, Bewegungsspielräume und Auslauf im Freien, treffe aber keine Aussagen zur Gesundheit der Tiere.

2024 stellen Aldi und Lidl ihr Milch-Sortiment um

Aldi prescht vor, Lidl zieht wenig später nach. „Wir senden ein wichtiges Signal an die gesamte Wertschöpfungskette: Stammten 2023 schon über 60 Prozent unserer Trinkmilch aus den Haltungsformen 3 und 4, werden wir ab Frühjahr 2024 ausschließlich Trinkmilch aus den höchsten Haltungsformen anbieten“, berichten Aldi Nord und Süd. Damit werde ein wichtiges Ziel sechs Jahre früher als geplant erreicht. „Bei Frischmilch setzen wir schon vollständig auf die deutsche Herkunft.“ Vom Jahr 2024 an werde das komplette Trinkmilch-Sortiment aus Deutschland stammen.

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Der Discounter Lidl will Anfang 2024 ebenfalls seine Frischmilch- und laktosefreien Milch-Eigenmarken vollständig auf die Haltungsformen 3 und 4 umstellen. Im Jahr 2024 folge zudem die Umstellung der haltbaren Milch und somit des gesamten Sortiments an Trinkmilch auf die höhere Haltungsstufe 3. Die Lidl-Trinkmilch stamme zu 100 Prozent aus Deutschland.

Die Umstellung muss laut Lidl in „konstruktiver und vertrauensvoller Zusammenarbeit“ mit den Partnern in der Landwirtschaft erfolgen. „Denn nur mit der Bereitschaft der Produzenten, ihre Betriebe entsprechend umzubauen, kann die Transformation zu mehr Tierwohl gelingen“, berichtet Christoph Graf, Geschäftsleiter Ware der Lidl Dienstleistungsgesellschaft.

Haltungsformen von Stufe 1 bis 4

Doch was bedeuten die Haltungsformen in der Praxis? Anders als bei den Schulnoten bietet Haltungsform 1 die schlechteste und 4 die besten Tierhaltungsbedingungen:

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  • Bei der niedrigsten Stufe 1 geht der Verbraucherzentrale Bundesverband davon aus, dass die Tiere nach dem Mindeststandard ausschließlich im Stall gehalten werden. Dabei sei auch möglich, dass die Kühe ganzjährig angebunden werden.

  • Bei der Haltungsform 2 dürfen Kühe dagegen nicht das ganze Jahr über angebunden werden. Die Tiere können sich zumindest zeitweise im Stall, einem Laufhof oder auf der Weide frei bewegen. Zusätzlich muss eine Kuhbürste vorhanden sein, mit der die Tiere ihr Bedürfnis erfüllen können, sich zu reiben oder zu kratzen. 

  • Haltungsform 3 bedeutet, dass die Kühe Kontakt mit dem Außenklima haben, beispielsweise durch eine nach außen offene Stallseite oder einen ganzjährig nutzbaren Laufhof. Wenn das möglich sein sollte, müssen die Tiere mindestens an 120 Tagen im Jahr auf der Weide grasen. Die Anbindehaltung ist verboten. Darüber hinaus wird mehr Platz im Stall gefordert und Futter ohne Gentechnik vorgeschrieben.

  • Erst in Stufe 4 haben laut Verbraucherzentrale Bundesverband tatsächlich alle Kühe Auslauf im Freien. Vorgeschrieben ist ein ganzjährig nutzbarer Laufhof und zusätzlicher Weidegang an mindestens 120 Tagen pro Jahr. Das Futter muss zudem überwiegend vom eigenen Betrieb oder aus der Region stammen. In diese Stufe wird Biomilch eingeordnet.

Das bedeute bessere Bedingungen für die Kühe, sei aber noch keine Garantie für Tierwohl, berichten Verbraucherschützer. „Denn weder mehr Platz und Kuhbürsten im Stall, noch Außenklimakontakt oder selbst der Weidegang ermöglichen eine direkte Aussage zur Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere“, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Dafür müssten verhaltens- und gesundheitsbezogene Beobachtungen wie Lahmen, Verletzungen, Organbefunde in der Tierhaltung und am Schlachthof systematisch erhoben und ausgewertet – und bei Auffälligkeiten die Bedingungen verbessert werden. Diese Tierwohl-Anforderungen seien im Rahmen der Haltungsformen aber nicht vorgesehen.

Der Discounter Aldi Süd will das Sortiment langfristig umstellen, um Tierwohl-Kriterien zu erfüllen.
Der Discounter Aldi Süd will das Sortiment langfristig umstellen, um Tierwohl-Kriterien zu erfüllen.
© Marcel Kusch/dpa

In den Supermärkten gibt es eine Vielzahl von Siegeln und Labeln. Greenpeace hat gängige Milchkennzeichnungen auf ihre Standards in den Bereichen Tierhaltung inklusive Futter und Gesundheit, Weide und Auslauf sowie den Umgang mit Kälbern untersucht. Die Analyse zeigt, dass viele Siegel Milch aus Ställen auszeichnen, die Kühen zu wenig Platz zum Laufen, Liegen oder Fressen bieten oder in denen die Tiere das ganze Jahr angebunden werden. Der Siegel-Check von Greenpeace gibt Verbrauchern einen Überblick, welche Milch von Kühen aus guter Haltung mit ausreichend Bewegung, Weidezugang und grasbasiertem Futter stammt.