Nachhaltiges Einkaufen: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Nachhaltig Einkaufen; Frau mit Baumwoll-Shopper und wiederverwendbaren Netz-Einkaufstaschen mit Gemüse, Produkten. Umweltfreundlicher Mesh-Shopper. Zero Waste, plastikfreies Konzept

Immer mehr Menschen wollen ökologisch und sozial verträglich einkaufen. Doch deutsche Verbraucher sind laut einer Studie weniger nachhaltig als andere Nationen. Stimmt das?

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Nürnberg/Kiel. Bio-Gemüse, Fair-Trade-Kaffee und Öko-Mode: Laut dem größten deutschen Marktforschungsinstitut GfK kaufen die Deutschen trotz Dauerkrisen und hoher Inflation weiterhin nachhaltig ein und sind bereit, für nachhaltige Produkte einen höheren Preis zu zahlen. So haben 26 Prozent der Deutschen in den letzten zwölf Monaten größere Anschaffungen unter Nachhaltigkeitsaspekten getätigt. Fast 70 Prozent gaben im Oktober an, dass sie im vergangenen Monat nachhaltige Alltagsprodukte gekauft haben. Zum Vergleich: Im Juli lag der Wert noch bei 66 Prozent.

Nachhaltigkeit spielt bei Ernährung und Einkauf große Rolle

Dass das Thema Nachhaltigkeit für immer mehr Menschen wichtig ist, belegen verschiedene Untersuchungen. So spielt laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) Nachhaltigkeit bereits für 71 Prozent der Deutschen eine wichtige Rolle bei der Ernährung und beim Lebensmitteleinkauf. Immerhin 35 Prozent der Bürger sind demnach bereit, für nachhaltig produzierte Lebensmittel mehr Geld auszugeben.

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Und auch beim Thema Reisen hat Nachhaltigkeit eine zunehmend größere Bedeutung. Laut der Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) hatten im Jahr 2018 etwa 61  Prozent der Urlauber eine positive Einstellung zu nachhaltigen Urlaubsreisen. Im vergangenen Jahr gaben 64 Prozent von 29.000 Befragten bei einer Umfrage der Online-Reiseagentur Booking.com an, dass sie in einer nachhaltigen Unterkunft unterkommen wollten.

Bewusstseinsänderung nicht gleich Verhaltensänderung

Doch obwohl das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung in den letzten Jahren zugenommen hat, stellen Experten immer wieder fest, dass dies nicht unbedingt Veränderungen im Konsumverhalten zur Folge hat. Denn obwohl die Befragten beim Lebensmitteleinkauf Wert auf Regionalität und Saisonalität legen, geben laut DGQ nur 26 Prozent an, regelmäßig auf dem Wochenmarkt oder beim Bauern vor Ort einzukaufen. Mit einem Anteil von 34 Prozent ist es eher die jüngere Generation, die diese Möglichkeit nutzt.

Für die älteren Befragten scheint der Supermarkt oft noch die bequemere Lösung zu sein, da dort gleich der ganze Wocheneinkauf erledigt werden kann. Und trotz des großen Wunsches nach nachhaltigeren Reisen wählten im Jahr 2018 nur sechs Prozent der Urlauber Unterkünfte oder Reiseveranstalter mit entsprechender Kennzeichnung. Und nur drei Prozent der Reisenden tätigten eine CO2-Kompensation für die An- und Abreise oder den Aufenthalt.

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Wie sehr Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, zeigt eine weltweite Studie der Beratungsfirma BCG, die rund 19.000 Verbraucher in acht Ländern befragt hat. Demnach gaben zwar 80 Prozent der Verbraucher aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, China, Indien und Brasilien an, dass sie sich Sorgen um das Thema Nachhaltigkeit machen, allerdings haben nur sieben Prozent der Befragten angegeben, dass sie bereit sind, einen Aufpreis für nachhaltige Einkäufe zu bezahlen.

Deutsche achten beim Energieversorger auf Nachhaltigkeit

Und noch etwas machte die Studie deutlich: Deutsche Konsumenten interessieren sich offenbar weit weniger für nachhaltige Produkte als Menschen in anderen Regionen der Welt. Im Vergleich zu Käufern aus Frankreich, Italien oder China scheint hierzulande das Thema Nachhaltigkeit beim Kauf von Produkten der Unterhaltungselektronik, Lebensmitteln, Bekleidung oder beim Autokauf keine entscheidende Bedeutung zu haben. Zumindest handeln die Verbraucher weniger danach. Am ehesten achten Deutsche bei der Wahl des Energieversorgers und beim Kauf von Wasch- und Reinigungsmitteln auf Nachhaltigkeit.

Laut den weltweiten Befragungen, die das Marktforschungsinstitut GfK bereits seit 25 Jahren jährlich durchführt, ist hingegen der Anteil der Konsumenten, die nachhaltig handeln, in Deutschland überdurchschnittlich hoch – höher als in Ländern wie Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, den USA oder Kanada. „Trotz der aktuell schwierigen Zeiten und der Inflation ist der Nachhaltigkeitstrend wieder auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. Allerdings verschieben die Menschen momentan ihre Käufe weg von Markenprodukten hin zu günstigeren Handelsmarken, achten häufiger auf Angebote oder kaufen beim Discounter“, so GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz. 

Für 42 Prozent der Deutschen sind nachhaltige Produkte zu teuer

Die größte Barriere für nachhaltiges Verhalten ist laut Süptitz der Preis. Für 42 Prozent der Deutschen seien nachhaltige Produkte zu teuer. Doch das heißt nicht, dass das Bewusstsein für das Thema fehlt, wie das Beispiel Autokauf aus der BCG-Studie zeigt. Hier gaben 51 Prozent der Befragten an, dass E-Autos zu teuer seien, 54 Prozent sagten, dass es nicht genug öffentliche Ladestationen gebe. Doch immerhin ebenso viele der Befragten aus Deutschland versuchen, das Autofahren zu vermeiden, und 25 Prozent kaufen ein kleineres oder effizienteres Auto, um Emissionen zu reduzieren. 

Vielleicht wissen viele Menschen nicht, wie sie den CO2-Verbrauch kompensieren.

PS
Petra Süptitz Nachhaltigkeitsexpertin , Marktforschungsinstitut GfK

28 Prozent der Menschen fehlt es laut der GfK-Expertin aber auch schlicht am Wissen: Sie würden gerne mehr für die Umwelt tun, wissen aber nicht wie. Und tatsächlich sei es auch oft nicht so einfach herauszufinden, was denn nun wirklich das umweltverträglichste Produkt ist. „Was ist besser – die plastikverpackte Bio-Gurke oder die konventionelle Gurke ohne Verpackung? Um beim Beispiel Reisen zu bleiben: Vielleicht wissen viele Menschen nicht, wie sie den CO2-Verbrauch kompensieren. Oder es ist ihnen einfach zu aufwändig“, so Süptitz. Denn knapp ein Viertel der Deutschen sage auch, dass sie einfach zu beschäftigt sind, um wirklich nachhaltig zu leben. Nachhaltige Lösungen müssten daher auch „convenient“ (deutsch: praktisch) sein.

Positive Einstellung setzt sich im Verhalten durch

Dass es ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit gibt, könnte laut dem Tourismusforscher Dirk Schmücker, wissenschaftlicher Leiter des Forschungsinstituts NIT in Kiel, daran liegen, dass das Thema Klima die Menschen immer mehr beschäftigt. „Es kommt uns immer näher“, sagte er bei einer Umfrage-Präsentation zum Thema Nachhaltigkeit bei Urlaubsreisen. Kaum ein Tag vergehe ohne einen Bericht in den Nachrichten über eine Flut, eine Dürre oder darüber, dass ein Gletscher schmilzt. Und je mehr man sich damit beschäftige, desto eher habe man auch die Chance, Dinge zu realisieren und sein Verhalten daran anzupassen. Die steigende positive Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit könne dazu führen, dass es sich auch im Verhalten dann irgendwann durchsetze.

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Und laut GfK bleiben immerhin etliche Konsumenten auch trotz der hohen Inflation und geringerer Budgets ihren Werten treu und kaufen weiterhin nachhaltig. „Wegen der explodierenden Energiepreise suchen die Konsumenten derzeit gezielt nach energiesparenden Produkten wie Haushaltsgeräten. Für diese nachhaltigeren Produkte nehmen sie einen höheren Anschaffungspreis in Kauf“, erklärt GfK-Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz. „Weniger Möglichkeiten zum finanziellen Ausgleich gibt es hingegen bei Lebensmitteln oder Hygieneartikeln, hier sparen die Verbraucher bei der Anschaffung.“

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