Wann der Dienstleister damit beginnen will, einen Großteil der Stellen in Rüsselsheim zu kappen und warum das Überleben von Segula Deutschland auch von Stellantis/Opel abhängt.
RÜSSELSHEIM. Als Segula 2019 von Opel Teile des Rüsselsheimer Entwicklungszentrums samt rund 700 Mitarbeiter übernahm, wechselten auch die Test- und Prüfeinrichtungen zum französischen Entwicklungsdienstleister. „Auf einer Fläche von 280 Hektar steht Ihnen ein Streckennetz von rund 80 km mit mehr als 20 unterschiedlichen Profilen für Erprobungsfahrten aller Art zur Verfügung“ – inklusive „modernster in- und outdoor Rollenprüfstände und Höhenklimakammer“, wirbt Segula Deutschland auf der Website um Kunden. In den vergangenen 15 Jahren sei der Testing-Bereich in Rüsselsheim und Dudenhofen „um vielfältige Strecken erweitert und kontinuierlich modernisiert worden“.
Doch mit der Modernisierung ist es offensichtlich nicht so weit her. „Die Vermarktung ist hinsichtlich neuer Kunden schwierig, da die Einrichtungen zum Teil sehr alt sind und ein höheres Investment benötigen“, sagt Daniel Bremm, Bevollmächtigter der zuständigen IG Metall Darmstadt, die gemeinsam mit dem Betriebsrat gerade mit dem Management einen Zukunftstarifvertrag für Segula Deutschland verhandelt.
Was wirft die Gewerkschaft Stellantis/Opel konkret vor? Ähnlich hatte sich Segula-Deutschland-Chef Holger Jené bereits im April geäußert. Konventionelle Testeinrichtungen gebe es zuhauf am Markt, „und wir müssten in einigen Bereichen in einem Verdrängungswettbewerb mit erheblichen Investitionen arbeiten; das macht keinen Sinn“, so der Vertriebsprofi. Die Lage ist schwierig, denn zusätzlich fährt Stellantis respektive die Tochter Opel - bislang mehr oder weniger der einzige Auftraggeber – nach Angaben der IG Metall die Test-und Prüfaufträge herunter.
Stellantis betonte, dass das vertraglich vereinbarte Volumen an Aufträgen für Segula „selbstverständlich eingehalten wird“. Man habe sogar mehrere zusätzliche Aufträge definiert und dann auch vergeben. Doch das Gesamtvolumen - Insidern zufolge beläuft es sich auf 270 Millionen Euro - ist nach Ansicht der IG Metall nicht der Punkt. Die Gewerkschaft stellt vielmehr eine „signifikante Verschiebung“ der Aufträge vom Test- und Prüfbereich zu den Entwicklungsdienstleistungen, auch Engineering genannt, fest. Was bei Segula in Dudenhofen und Rüsselsheim, so Bremm, zu einer „sehr großen Unterauslastung der Prüfstände und Testeinrichtungen, einem sehr hohen finanziellen Verlust“ und einem hohen Handlungsdruck führe.
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Wie ist Segula mit Stellantis/Opel verknüpft? Das Problem: Unternehmenskreisen zufolge arbeitet der Engineering-Bereich bei Segula in Rüsselsheim derzeit defizitär, weil Stellantis hier die Preise drücke. Dem hingegen habe man mit den Test- und Prüfeinrichtungen bislang gut verdient. Durch die Verschiebung der Aufträge zum Engineering fehlt Segula aktuell also schlicht Geld, die Rede ist von einem niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag. „Würde Stellantis jetzt für weitere Jahre als strategischer Partner mit Testingvolumen unterstützen, könnten wir bei Segula mehr Arbeitsplätze sichern“, so Bremm. Umgekehrt heiße das: „Solange der Hauptkunde Stellantis das vereinbarte Volumen für Engineering und Testing nicht erbringt, fehlt ein wichtiges Puzzleteil für eine erfolgreiche Fortführung des Unternehmens.“
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Wann soll der Stellenabbau konkret starten? Der Handlungsdruck ist offenbar so groß, dass, wie Jené angekündigt hatte, „alle Testeinrichtungen auf den Prüfstand kommen“. Inklusive deutlichem Jobbau. Nach Informationen dieser Zeitung soll rund ein Drittel der aktuell knapp 750 Arbeitsplätze bei Segula in Rüsselsheim gekappt werden. Und dabei drückt das Unternehmen aufs Tempo. Denn wie es in Firmenkreisen heißt, soll mit dem Stellenabbau Mitte November, also bereits in vier Wochen, begonnen werden. Wie viele Jobs am Ende tatsächlich gestrichen werden, soll in dem Zukunftsvertrag festgeschrieben werden, der derzeit verhandelt wird. Dabei soll der Abbau möglichst mit freiwilligen Ausstiegen per Abfindungs- und Altersprogrammen umgesetzt werden. Die Arbeitnehmerseite sei jedenfalls bereit, „über ein freiwilliges Ausscheiden von Beschäftigten die Restrukturierung mitzugestalten und Segula zu entlasten und somit einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit von Segula zu leisten“.