Der Mainzer Impfstoffhersteller startet die entscheidende dritte Phase der ersten klinischen Onkologie-Studie. Der Umsatz mit Corona-Impfstoffen ist unterdessen eingebrochen.
Mainz. Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech sieht wesentliche Fortschritte in der Krebstherapie, kämpft aber weiter mit drastischen Umsatzrückgängen bei Covid-19-Vakzinen. „Wir bereiten den Beginn unserer ersten klinischen Phase-3-Studie im Bereich Onkologie vor”, kündigte Unternehmenschef Ugur Sahin bei der Vorlage der Quartalszahlen in Mainz an. Die letzte Stufe der Tests vor einer möglichen Zulassung werde noch in diesem Jahr gestartet. In diesem und dem nächsten Jahr soll für die Krebsmedikamente eine Vertriebsorganisation aufgebaut werden. „Der Fokus für dieses Geschäftsjahr liegt auf der Weiterentwicklung unserer Plattformen zur Behandlung solider Tumore sowie auf klinischen Programmen im Bereich Infektionskrankheiten mit weltweit hohen medizinischem Bedarf”, berichtete der Biontech-Mitgründer.
Biontech entwickelt Antikörper gegen Lungenkrebs
Die zusammen mit dem US-Krebsspezialisten OncoC4 entwickelte Antikörpertherapie wird bei Patienten mit Lungenkarzinom eingesetzt, deren Erkrankung trotz vorheriger Behandlung weiter fortgeschritten ist. Der Wirkstoff BNT316 hatte zuvor von der US-Arzneimittelbehörde FDA den „Fast-Track-Status”, der die Prüfung und Zulassung neuer Arzneien beschleunigt, erhalten. Anfang Juni sollen auf einer Konferenz in Chicago Ergebnisse der bereits laufenden klinischen Studie der Phase 1/2 veröffentlicht werden.
Diese Programme sind strategisch auf unsere Vision ausgerichtet, Patienten mit soliden Tumoren einen bedeutenden therapeutischen Nutzen bieten zu können.
Hoffnungen ruhen darüber hinaus auf den zusammen mit dem chinesischen Biotechnologieunternehmen DualityBio entwickelten Antikörper BNT323, der derzeit in einer klinischen Studie der Phase 1/2 bei Patienten mit fortgeschrittenen und inoperablen, wiederkehrenden oder metastasierenden Tumoren eingesetzt wird. Anfang des Jahres hatte der Wirkstoff für die Entwicklung einer Therapie gegen Gebärmutterkrebs den „Fast-Track-Status” in den USA erhalten. „Biontech ist bei Krebstherapien gegen verschiedene solide Tumore gut positioniert”, betonte Biontech-Mitgründerin Özlem Türeci.
Krebsimpfstoff wird in einer klinischen Studie getestet
Ebenfalls fortgeschritten ist die Entwicklung eines mRNA-Krebsimpfstoffkandidaten, der zusammen mit der Roche-Tochter Genentech konzipiert wird. Auch hier läuft bereits eine klinische Studie der Phase 2 mit Bauchspeicheldrüsen-Krebspatienten.
„Diese Programme sind strategisch auf unsere Vision ausgerichtet, Patienten mit soliden Tumoren einen bedeutenden therapeutischen Nutzen bieten zu können – unabhängig davon, ob sie sich im frühen Stadium einer Erkrankung befinden oder diese bereits vorangeschritten ist”, betonte Biontech-Mitgründer Sahin.
Biontech muss nach Rückgang der Impfungen Umsatzeinbruch verkraften
Biontech meldet unterdessen mit dem Übergang in die endemische Phase eine weiter sinkende Nachfrage nach Covid-19-Impfstoffen. In den ersten drei Monaten stürzte der Umsatz dementsprechend von 6,3 Milliarden Euro auf 1,2 Milliarden Euro ab. Biontech bestätigt den erwarteten Rückgang des Jahresumsatzes 2023 von 17,3 Milliarden Euro auf etwa fünf Milliarden Euro.
Der Liefervertrag mit der Europäischen Kommission werde derzeit neu verhandelt, „mit der Möglichkeit, dass die Auslieferungen von Impfstoffdosen über mehrere Jahre gestaffelt werden und/oder eine Mengenreduzierung erfolgen könnte”, heißt es in Mainz. In Zukunft werde es weniger Lieferverträge mit Regierungen geben, dafür dürften die kommerziellen Umsätze unter Wettbewerbsbedingungen zulegen.
Insgesamt werden weniger Erstimpfungen und eine niedrigere Quote für Auffrischungsimpfungen erwartet, gleichzeitig hofft Biontech auf eine erhöhte Nachfrage nach einer Anpassung der Impfstoffe. „Es wird von einer saisonalen Nachfrage nach Impfstoffen ausgegangen, wodurch sich die Umsätze deutlich in die zweite Jahreshälfte verschieben”, erläuterte Finanzvorstand Jens Holstein, der von einem „guten Start” ins Jahr berichtete.
Biontech entwickelt Covid-19-Impfstoff der nächsten Generation
Biontech entwickelt derzeit das Covid-19-Impfstoffprogramm der nächsten Generation. Eine klinische Studie der Phase 1 läuft bereits. Präklinische Daten hätten gezeigt, dass der Wirkstoff vor einer schweren Covid-Erkrankung schützt und die Eliminierung des Virus verbessert. Weitere Impfstoffkandidaten werden derzeit gegen Tuberkulose und Gürtelrose in klinischen Studien der Phase 1 entwickelt.
Biontech erhöht Investitionen in Forschung und Entwicklung
Der Nettogewinn sackte im ersten Quartal von knapp 3,7 Milliarden Euro auf 502,2 Millionen Euro. Einem Rückgang der Produktionskosten standen höhere Forschungs- und Entwicklungskosten gegenüber. Die Ertragssteuern gingen von 1,3 Milliarden Euro auf 205,5 Millionen Euro zurück. Biontech hatte im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 17,3 Milliarden Euro Umsatz noch einen Jahresüberschuss von 9,4 Milliarden Euro erzielt, 2021 hatte sich letzterer auf knapp 10,3 Milliarden Euro summiert.