Merck schafft in Darmstadt Hunderte neue Arbeitsplätze

Die Zentrale von Merck in Darmstadt.
© Andreas Kelm

Mehr als 600 neue Stellen will Merck an seinem Stammsitz bis 2025 schaffen. Warum das Unternehmen so stark wächst und wie es sich im schwierigen Jahr 2022 geschlagen hat.

Anzeige

Darmstadt. 2022 war für kein Unternehmen ein einfaches Jahr. Der Krieg in der Ukraine und in der Folge explodierende Energiepreise, entsprechend stark steigende Logistik- und Rohstoffkosten sowie zusammenbrechende Lieferketten machten allen Firmen zu schaffen. Unterschiede gibt es allerdings, wie diese Schwierigkeiten gemeistert wurden. Merck gehört zu jenen Firmen, die sich erfolgreich gegen die Widrigkeiten stemmen konnten.

Wie haben sich Umsatz und Gewinn entwickelt?

Auch wenn Belén Garijo, die Vorsitzende der Geschäftsleitung, bei der Bilanzpressekonferenz am Donnerstagvormittag in Darmstadt Unternehmen und Öffentlichkeit auf rauere Zeiten einstimmte, konnte sie für 2022 gute Zahlen vorlegen. „Trotz der großen Herausforderungen haben wir unser Versprechen gehalten und alle Ziele erreicht. Alle Geschäftsregionen und Bereiche haben zum Wachstum beigetragen“, sagte Garijo. Merck ist mit den drei Sparten Healthcare (Pharma), Life Science (Laborchemie) und Electronics (Spezialchemie und Halbleiter) vergleichsweise breit aufgestellt. Der Umsatz kletterte auch organisch, also aus eigener Kraft ohne Zukäufe und Wechselkurseffekte, ordentlich auf insgesamt 22,23 Milliarden Euro, der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) ebenfalls kräftig auf 6,85 Milliarden Euro. Und auch am Firmensitz in Darmstadt wächst das Unternehmen.

Anzeige

Das Investitionsprogramm läuft in Darmstadt – trotz des schwierigen Umfeldes uneingeschränkt, wie Geschäftsleitungsmitglied Kai Beckmann betonte. 1,5 Milliarden Euro fließen dort bis 2025 in die verschiedensten Projekte. Darunter sozusagen als große Brocken 200 Millionen Euro in das neue Forschungszentrum und mehr als 140 Millionen Euro in eine Membranfabrik. Das neue Pharma-Forschungszentrum soll ab 2025 Platz für mehr als 500 Wissenschaftler bieten, die dort dann zu unterschiedlichen Bereichen forschen: von der Identifikation von Biomarkern für Erkrankungen bis hin zur Entwicklung von patientenspezifischen Therapeutika. 

All das wirkt sich positiv auf den Personalbestand aus. Wie Garijo auf Nachfrage dieser Zeitung ausführte, soll die Mitarbeiterzahl in Darmstadt bis 2025 um fünf Prozent wachsen. Bei aktuell rund 12.500 Beschäftigten am Stammsitz bedeutet das ein Plus von mehr als 600 Stellen. Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ist bei Merck kein Selbstläufer. So trimmt das im Dax notierte Unternehmen seine Pharmaforschung auf Effizienz – was in den USA am Standort Billerica nahe Boston zum Abbau von 133 Arbeitsplätzen im dortigen Forschungszentrum führte.

Anzeige

Welche hoffnungsvollen Medikamente hat Merck in der Pipeline?

Der Personalabbau in den USA ist Teil einer größeren Neuausrichtung, mit Garijo die Produktivität der Arzneimittelforschung verdoppeln will. Überhaupt ist Merck gerade dabei, die jahrelange Durststrecke im Geschäftsfeld Pharma zu überwinden. So hat das bereits seit etlichen Jahren eingesetzte Krebsmedikament Erbitux erstmals die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro überschritten. Damit haben die Darmstädter wieder einen für Pharmaunternehmen so wichtigen „Blockbuster“ (mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz) im Portfolio. Den Angaben zufolge hat auch das Multiple-Sklerose-Präparat Mavenclad Blockbuster-Potenzial.

Tabletten werden bei Merck mit einem Lackfilm überzogen, um sie magensaftresistent zu machen oder einen unangenehmen Geschmack zu maskieren.
Tabletten werden bei Merck mit einem Lackfilm überzogen, um sie magensaftresistent zu machen oder einen unangenehmen Geschmack zu maskieren.
© Merck

Zudem verfügt der Dax-Konzern über eine vielversprechende Pharma-Pipeline. So seien die Medikamente Evobutrinib (Multiple-Sklerose) und Xenivapant (Kopf-Hals-Krebs) auf dem Weg, ein „First-in-Class“-Präparat zu werden, sagte Garijo. Die „ersten Präparate ihrer Art“, so die Übersetzung, sind selten und entsprechend wichtig für Pharmaunternehmen. Evobrutinib und Xenivapant befinden sich in der dritten und damit vor einer möglichen Zulassung letzten Phase der klinischen Tests am Menschen. Ein weiteres Krebspräparat, Tepmetko (gegen Lungenkrebs), steckt in Phase zwei und hat ebenfalls „First-in-Class“-Potenzial.

Wie lief es für den Konzern in den anderen Geschäftsbereichen?

Abermals kurbelte die Laborsparte mit Produkten für die Pharmaforschung und Arzneimittelherstellung das Wachstum an. Dies konnte den schwindenden Rückenwind aus der Pandemie mehr als ausgleichen. Merck hatte in den vergangenen Jahren von einer enormen Nachfrage von Impfstoffforschern und -herstellern profitiert und belieferte auch die Mainzer Biontech mit Lipiden für den Corona-Impfstoff. Doch dieser Sondereffekt schwächt sich mehr und mehr ab. Hatte der Umsatz hier 2021 bei deutlich über einer Milliarde Euro gelegen, sank er 2022 auf rund 850 Millionen Euro. Für 2023 werden 250 Millionen Euro erwartet.

Dieser Rückgang sowie der weiterhin enorme Kostendruck durch die hohe Inflation in den verschiedensten Bereichen ließen Garijo verhalten auf das Jahr 2023 blicken. Erwartet wird, dass der bereinigte Betriebsgewinn im schlechtesten Fall moderat zurückgeht, im günstigsten Fall in etwa stabil bleibt. Ungünstig wirkt sich den Angaben zufolge auch der sich abschwächende Markt für Halbleiter aus.